SARKOZYS BERLINREISE: ROUTINESACHE MIT KONFLIKTPOTENZIAL
: Heikles Thema Europa

Dass die erste Reise von Nicolas Sarkozy als Präsident der Französischen Republik nach Berlin führt, ist erfreulich. Sarkozy signalisiert damit sein Interesse an der Fortsetzung der privilegierten Beziehung. In den letzten Jahrzehnten waren die deutsch-französischen Beziehungen immer dann am besten, wenn auf beiden Seiten des Rheins unterschiedliche politische Lager regierten. Nun will Sarkozy gemeinsam mit Angela Merkel beweisen, dass auch zwei Konservative vertrauensvoll zusammenarbeiten können.

Zugleich ist Sarkozys heutiger Antrittsbesuch in der Nachbarhauptstadt eine Routinesache. Viele Regierungschefs vor ihm haben es genauso gehandhabt. Dafür sorgen auch die politischen, personellen und wirtschaftlichen Vernetzungen zwischen beiden Ländern, die so eng geworden sind wie nirgends sonst. Und trotz gegenteiliger Behauptungen Einzelner hat auch Sarkozy seit Jahren seine Kontakte in Berlin intensiv gepflegt.

Die Erleichterung des Berliner Establishments über Sarkozys Wahl und ihre mutmaßlichen Auswirkungen auf die EU ist dennoch verfrüht. Er hat zwar im Wahlkampf angekündigt, dass er einen Mini-Vertrag im Eilverfahren durch das französische Parlament bringen und ein neues Referendum vermeiden will. Aber bis es so weit kommen kann, muss zweierlei geklärt werden: erstens, was Sarkozy in den neuen Text hineinschreiben und was er außen vor lassen will. Und zweitens, zu welchen Zugeständnissen für einen neuen EU-Vertrag die anderen europäischen Regierungen überhaupt bereit sind – vor allem jene, die die EU-Verfassung bereits ratifiziert haben.

Sollten die EU-Partner, allen voran Deutschland, nicht genügend Sensibilität im Umgang mit den französischen EU-Vorstellungen haben, könnte die Frühlingsstimmung zwischen Berlin und Paris schnell verfliegen. Sarkozy wird sich in diesem Fall auf die protektionistischen, chauvinistischen und nationalistischen Thesen zurückziehen, die er in der Vergangenheit mehrfach bemüht hat. Und für die er in seinem Lager ebenfalls jede Menge Unterstützung hat. DOROTHEA HAHN