Weltweit wächst die Zahl der Superreichen

„Forbes“: 946 Menschen besitzen mehr als 1 Milliarde US-Dollar. Experten halten die Zahlen für wenig aussagekräftig

BERLIN taz ■ Reiskräcker, Wohnungen und Aktien haben eins gemeinsam: Mit ihnen lässt sich derzeit im großen Stil ein riesiges Vermögen machen. Davon künden zumindest die 153 neuen Dollar-Milliardäre auf der aktuellen Liste des US-Magazins Forbes. Die Gesamtzahl der Superreichen ist im vergangenen Jahr um 35 Prozent auf 946 gestiegen. „Dieser Zuwachs spiegelt die Dynamik der Weltwirtschaft wieder“, sagte Herausgeber Steve Forbes. Starke Aktienmärkte, hohe Waren- und Immobilienpreise hätten das Einkommen der Neulinge über die magische Marke katapultiert.

Ganz oben auf der Rangliste steht nach wie vor Microsoft-Gründer Bill Gates mit rund 56 Milliarden US-Dollar Vermögen, gefolgt von US-Investor Warren Buffet (52 Milliarden) und dem mexikanischen Unternehmer Carlos Slim Helu (49 Milliarden). Nach den USA ist Deutschland laut Forbes das Land mit den zweitmeisten Milliardären. Ganz vorne stehen hier weiterhin die Aldi-Brüder. Karl Albrecht hat mit dem Discounter ein Vermögen von 20 Milliarden Dollar angehäuft, sein Bruder Theo besitzt 17,5 Milliarden.

Die neuen Namen auf der Liste kommen aus sehr unterschiedlichen Branchen. Jeffrey Hildebrand aus den USA etwa hat mit Öl- und Gasquellen jüngst ein Vermögen von rund 1 Milliarde Dollar gemacht. Dem Taiwanesen Tsai Eng Meng haben Reiskräcker und andere Fertignahrung eine ähnliche Summe eingebracht. Der ukrainische Neu-Milliardär Kostyantin Zhevago war erfolgreich mit Finanzgeschäften.

Forbes liefert auch gleich ein einfaches Rezept für solche Erfolge: „Einfallsreichtum“ auf den Weltmärkten sei der ausschlaggebende Grund für die angestiegene Zahl der Milliardäre. Gert Wagner, Forschungsdirektor am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, spricht dagegen von „Willkür“. Er zweifelt an der Aussagekraft der Zahlen: „Die beruhen nur auf Schätzungen und sind sehr ungenau.“ Privatleute gäben ihre Einkünfte meist nicht freiwillig preis. Zudem veränderten Aktienvermögen schnell ihren Wert. Laut Forbes basieren deren Berechnungen auf einer Momentaufnahme von Unternehmensbilanzen vom 9. Februar.

Wagner vermutet, dass es dem Magazin mit der jährlichen Liste nur darum geht, sich selbst bekannter zu machen, und nicht, über die Superreichen aufzuklären. Über die reale Reichtumsverteilung auf der Welt sage der Milliardärs-Zähler rein gar nichts aus. Die Liste könne nicht darüber hinwegtäuschen, dass es nach wie vor große statistische Lücken in den Daten zur Vermögensverteilung gibt.

Dass der Club der Superreichen immer größer wird, glaubt Ernst-Ulrich Huster nicht, der Reichtumsforscher an der Fachhochschule Rheinland-Westfalen-Lippe ist: „Die Erträge aus Vermögen sind stark konzentriert.“ An der bestehenden Ungleichheit ändere sich kaum etwas. Neue Forbes-Kandidaten seien ausschließlich Jungunternehmer, die sich wenige Lücken im Markt gesucht haben. In den traditionellen Industriebranchen hätten es sich wenige Giganten gemütlich gemacht, so dass keine Spielräume blieben: „Stahl-Tycoon wird heute keiner mehr.“ MORITZ SCHRÖDER

meinung und diskussion SEITE 11