Hilfe von Kronzeugen

Die von 1989 bis 1999 geltende alte Kronzeugenregelung hat im Kampf gegen die RAF am Ende nur wenig gebracht

Nach jahrelanger Diskussion wurde im Jahr 1989 eine Kronzeugenregelung für Terroristen eingeführt. Man hoffte, dass sich RAF-Kader aus der Gruppe lösen und die ganze Guerilla auffliegen lassen würden. Selbst für Mörder war eine Strafmilderung auf nur noch 3 Jahre Haft vorgesehen.

Tatsächlich wurde die Regelung dann aber vor allem von ehemaligen RAF-Mitgliedern in Anspruch genommen, die wie Werner Lotze oder Susanne Albrecht Anfang der 80er-Jahre in der DDR untertauchten und 1990 nach der Wende enttarnt wurden. Da sie schon zehn Jahre keinen Kontakt zur RAF mehr hatten, konnten sie weder aktuelle Anschläge verhindern noch zu Fahndungserfolgen verhelfen. Ihre Aussagen dienten eher der historischen Aufklärung, führten allerdings auch zu einigen neuen Anklagen und Urteilen gegen bereits inhaftierte RAF-Mitglieder.

Wichtiger war die Kronzeugenregelung bei einem Mammutprozess gegen die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK. Mit Hilfe des Kronzeugen Ali Cetiner wurde er gegen 18 Personen vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf durchgeführt. In der PKK soll eine terroristische Vereinigung bestanden haben, die Abweichler und Funktionäre von Konkurrenzorganisationen ermordete. Die Bilanz des Prozesses: durchwachsen, die meisten Verfahren wurden eingestellt, zwei Haupttäter 1994 zu lebenslanger Haft verurteilt. Ebenfalls 1994 wurde die zunächst nur für Terroristen geltende Regelung auf die organisierte Kriminalität erweitert. Dort spielte sie aber fast keine Rolle. Sie wurde nur in drei Fällen angewandt.

Der wohl letzte Kronzeuge nach diesem Gesetz war der Berliner Kampfsportlehrer Tarek Mousli. Das ehemalige Mitglied der Revolutionären Zellen (RZ) nahm die Regelung Ende 1999 in Anspruch und machte umfangreiche Aussagen zu den RZ-Strukturen sowie zu Anschlägen aus den 80er-Jahren. Die Aussagen führten zur Verurteilung von insgesamt fünf weiteren ehemalige RZ-Genossen, die mehrjährige Haftstrafen erhielten.

Weil die Kronzeugenregelung schon bei ihrer Einführung stark umstritten war, wurde sie zunächst auf zwei Jahre befristet. Insgesamt dreimal wurde sie verlängert, dann lief sie Ende 1999 unter Rot-Grün einfach aus. Das rechtspolitische Signal war aber deutlicher, als es eigentlich gemeint war. Schon damals plante die Bundesregierung eigentlich eine Super-Kronzeugenregelung für alle Delikte. Die Grünen hätten mitgemacht, wollten als Gegenleistung aber, dass bei Mord auch ohne Verrat auf „lebenslängliche“ Urteile verzichtet werden kann. Das war für die SPD aber nicht akzeptabel, deshalb passierte unter Rot-Grün jahrelang nichts.

Weniger bekannt, aber praktisch sehr relevant ist die Kronzeugenregelung im Betäubungsmittelgesetz. Sie wurde bereits 1981 eingeführt. Hunderte Kleindealer belasten sich so jedes Jahr gegenseitig. An Hintermänner kommt die Polizei allerdings nur selten heran. Auch unter Rot-Grün stand die Abschaffung dieser „kleinen Kronzeugen-Regelung“ nie zur Debatte.

CHRISTIAN RATH