Das sonntaz-Spezial zu Pfingsten

Editorial

Bernhard Pötter, Chef des taz-Ressorts Wirtschaft und Umwelt, verzichtet auf Billigschnitzel. Unsere Autorin Ute Scheub spart sich Urlaubsflüge. Und die Illustratorin Eléonore Roedel, die diesen Titel gezeichnet hat, arrangiert sich mit einer wassersparenden Dusche.

Worauf verzichten Sie? Ist es etwas, das Ihnen wehtut? Wären Sie bereit, umzuziehen, um Energie zu sparen? Den Job zu wechseln, weil er nur mit dem Auto erreichbar ist?

Wenn uns das Wachstum in den Abgrund führt, dann muss auch irgendetwas schrumpfen. Aber es geht nicht allein um Verzicht. Sondern auch darum, dass sich die richtigen Ideen verbreiten. Die sonntaz hat nach vielversprechenden grünen Projekten gesucht. Wo wachsen sie? Wer sind die Menschen, die schon weiter gedacht haben?

Reporter Peter Unfried hat Leute getroffen, die die Energiewende bereits vollziehen: Nicht nur den Tübinger Grünen-Oberbürgermeister Boris Palmer und Bewohner des autarken Ökodorfs Sieben Linden, sondern auch den schwäbischen Unternehmer Hans-Jochen Beilke, der weltweit grüne Technologie verkauft und trotzdem von sich sagt: „I bin koi Linker.“

Mit seinen Gesprächspartnern diskutierte Unfried über Suffizienz, also Genügsamkeit. Und über Effizienz, die durch neue Techniken etwas erreicht. Beide Denkschulen haben Auftrieb bekommen, die sonntaz verhandelt neu, wie sich beide in einem sinnvollen Verhältnis zueinander entwickeln können.

Windräder und Solaranlagen sind inzwischen Mainstream, und die Bundesregierung inszeniert sich als Protagonistin der Energiewende. Zugleich rühmt sie sich, mit dem „Wachstumsbeschleunigungsgesetz“ die Wirtschaft wieder in Schwung gebracht zu haben. Tatsächlich trägt die grüne Wirtschaft zum Boom bei. Sind Ökonomie und Ökologie also in schönster Harmonie vereint? Natürlich nicht. Auch grünes Wachstum verbraucht Energie und Rohstoffe.

Benötigt Wohlstand überhaupt Wachstum? Das Starren aufs Bruttoinlandsprodukt, die Leitzahl der Wachstumsgesellschaft, ist geradezu absurd. Was einen Marktwert hat, wird eingerechnet – sogar der Zuwachs des Lkw-Verkehrs oder die Särge für Unfallopfer. Werte wie ehrenamtliche Arbeit oder der Erhalt biologischer Artenvielfalt bleiben dagegen außen vor. Deshalb brauchen wir neue Maßstäbe. Unsere Grafik auf den Seiten 20 und 21 zeigt Daten, die in die Berechnung von Wohlstand, Lebensqualität und Glück einfließen könnten.

Immerhin: „Die Sprache, die Ideen haben sich sehr wohl geändert“, sagt der Ökonom Tim Jackson, einer der prominentesten Kritiker der alten Wachstumsdenke (Seite 22). Um Fortschritt und Lebensglück geht es auch Gunter Pauli. Damit sich wirklich etwas ändert, fordert der Unternehmer die Blue Economy, in der der Mensch die Prinzipien des blauen Planeten nachahmt (Interview Seite 26, 27). Dafür existieren schon eine Menge Ideen – und sie werden umgesetzt. Unsere Autorinnen Annette Jensen und Ute Scheub haben Beispiele zusammengetragen, die zum Mitmachen anregen.

Inspiriert wurde tazler Bernhard Pötter von seinen Kindern: Sie entschleunigten sein Leben und ließen ihn über die Zukunft nachdenken. Und dennoch, das beschreibt er auf Seite 24, trieben ihn seine Umweltbengel auf fast räuberische Art in den Konsumwahnsinn.

Schöne Pfingsten wünscht Ihre sonntaz-Redaktion!