MÖBEL, DIE ZUM WEGWERFEN ZU SCHADE SIND, KOMMEN INS FORSAMLINGSHUS
: Betrügerisches Zwischenlager

Foto: privat

REBECCA CLARE SANGER

Was machen wir mit dem Fliesensofatisch?“ frage ich. Und da er seine zweite oder gar dritte Verwendung als Werkzeugtisch schon hinter sich gebracht hat, sagst du: „Ich bringe ihn nach gegenüber, ins Forsamlingshus.“

Als diene das einstöckige langgezogene Haus mit Geranien in den Fenstern als Versammlungsplatz für ortsansässige Möbel statt für die Menschen – die manchmal am Wochenende mit ihren Autos vorfahren, im Sonntagsstaat über den Schotterplatz zum Eingang laufen, die Frauen stöckeln, die jungen Männer kuppeln den Wohnwagen ab. Den haben sie sich sicherheitshalber mitgebracht, sie haben ja noch vor zu trinken.

Und dann spielen sie Musik, von der es selbst dem Fliesensofatisch schlecht würde, wäre er im Hauptgebäude. Selbst wenn er so aussieht, wie sie sich anhört. Und so kommt’s raus, der Tisch steht nämlich gar nicht im Versammlungshaus selbst, sondern als Teil der jährlichen Flohmarktsammlung im Schuppen; der ist zum guten Gewissen für Menschen geworden, die sich nur schwer von Dingen trennen können.

„Sieh mal, Schatz, die Sachen werden doch gar nicht weggeschmissen! Sie kommen einem guten Zweck zu und jemand, jemand der nicht wir ist, hat noch seine Freude dran“, flöten die Lebenspartner diesen Menschen zu, als wären sie die geheimen, durchtriebenen Erfinder dieser Tradition. Und der Zweck ist wirklich gut: Der Erlös dient dem Erhalt des Versammlungshauses – und seines Schuppens.

Elf Monate und ein paar Autoanhängerladungen später ist es fast soweit, drei Tage vor dem Termin. Freiwillige Helfer öffnen die Schuppentore, stellen eine Zeltüberdachung gegen den Regen auf und das Esszimmermobiliar darunter. Davor stellen sie Sofas, für die dieser Schuppen nicht der erste Schuppen im Leben gewesen zu sein scheint. Mit schimmligen Ecken stehen sie stramm für den guten Zweck. Regen bildet Pfützen in ihren Kuhlen.

Zwei Tage vor dem Verkaufstag werden Kommoden und Schränke rausgeholt. Als ich interessiert nach gegenüber gehen will, sehe ich durchs Fenster, dass die freiwilligen Helfer ein rotes Tatort-Absperrungsplastikseil einmal quer aufspannen. Ich werde also bis zum Abend warten müssen, bevor ich die Anrichten und Kommoden näher ansehen werde können. Nachts sehen wir durch die Gardinen Autoscheinwerfer über den Versammlungshausparkplatz streifen – andere hatten dieselbe Idee. Erstaunlicherweise ist am nächsten Morgen nichts abhanden gekommen.

Um fünf vor zehn begrüßen wir in den Menschentrauben vor dem Absperrband hastig Bekannte, um zehn wird das Plastik durchgeschnitten. Um zehn nach zehn ist alles Kaufenswerte gekauft. Um eins ist der Flohmarkt vorbei, und fast alles scheint unverkauft wieder in den Schuppen zu wandern.

Was nun geschieht, das sehen nur wir, denn die Flohmarktbesucher sind schon längst verschwunden: Der große Container steht dort, wo sonst der Wohnwagen geparkt wird. Von einem Baggerfahrzeug ergriffen, fliegen alle tapferen, doch ungebrauchten Sofas und Tische, Gartenmöbel und Bilder, Teppiche, Wandteppiche, Schallplatten in den Container. Das gute Gewissen aller Rausschmeißenden des Ortes: alles kurz kreuz und klein.

Am liebsten will ich rausrennen und unseren Sofatisch zurückholen, zusammen mit all den anderen nur halb-gewollten Möbeln. Es war ein Trick! Wir sind angeschmiert worden!

Das Knacken von Holz in den Klauen des Baggers dringt durch unsere Gardinen.

Rebecca Clare Sanger pendelt mit Mann und Kindern zwischen Hamburg und der dänischen Insel Møn; was sie dabei erlebt, steht alle zwei Wochen an dieser Stelle. Einen Sammelband mit ihren „Hamburger Szenen“ aus der taz.hamburg hat der Verlag Michason & May unter dem Titel „Hamburg Walking“ veröffentlicht.