taz-Thema

Christentreffen in Dresden

■ betr.: „Von allen (Frei-)Geistern verlassen“, taz vom 3. 6. 11

Was habe ich mich gefreut, als ich die erste Kirchentaz in Händen hielt! Bitte hört nicht auf, über die diversen Kirchentage zu berichten. Und dann war auch der von mir sehnlich erwartete erste Anti-taz-Kirchentagsberichterstattungs-Leserbrief da: Seufz. Was hat „Die Kirche“ diesen armen Menschen nur angetan, dass sie sich darüber soooo sehr aufregen können? Aber ich muss dankbar sein: keine krude Vermischung aller Konfessionen, kein wildes In-Beziehung-Setzen frühkindlicher Störungen mit christlicher Wanddeko, keine Forderung nach Abschaffung der Kirchensteuer.

BARBARA BECKER

■ betr.: „Gott muss ein Grüner sein“, taz vom 6. 6. 11

Schade, dass sich die taz damit begnügt, über die betucht-bürgerliche Selbstgefälligkeit des Kirchentags zu spotten, statt über Veranstaltungen zu berichten, auf denen jene Mechanismen diskutiert und wieder zugekippt wurden, die zu den bestgehüteten Geheimnissen unserer Gesellschaft gehören: Etwa die durch das Zins- und Zinseszinssystem immer schneller vorgenommene Umverteilung der Geldvermögen von unten nach oben. Kein noch so ausgeklügeltes Steuersystem kann das stoppen. Solches Herrschaftswissen wurde auch auf dem Kirchentag unter Verschluss gehalten. GUDULA FRIELING, Dortmund

■ betr.: taz.die kirchentaz

Noch alle Apostel auf der Kanzel, Genossen? Lasst euch doch bitte mal den Namen wie eine Oblate auf der Zunge zergehen oder wiederholt ihn dreimal andächtig: Kirchentaz, Kirchentaz, Kirchentaz. Da passt doch was gewaltig nicht zusammen! Ich hoffe, ihr wollt damit nicht euer Profil schärfen und auf neue Zielgruppen abstimmen. Die alte Zielgruppe, die zumindest ansatzweise der Idee der Aufklärung nicht ganz verschlossen gegenübersteht, verliert ihr damit. Wenn ich zwischen Schwester Käßmann und dem grundguten Herrn Wulff ins Reihenhaus gezogen bin und sonntags nach der Kirche meinen Phaeton Cayenne Kombi hingebungsvoll wasche, könnt ihr euch wieder bei mir melden, „Genossen“. KAI BEIDERWELLEN, Speyer

■ betr.: „Gott muss ein Grüner sein“, taz vom 6. 6. 11

Freitagmorgen im Kirchentagsquartier in Bautzen: Ich freue mich, eine alte Bekannte wiederzutreffen, die taz. Die erste Seite ein Bild, die zweite Seite fast komplett ein Bericht über einen seit 14 Jahren ausgetragenen Arbeitsrechtskonflikt in einer katholischen Kirchengemeinde. Auf der dritten Seite ein Interview, das interessant ist, aber auch keine aktuelle Berichterstattung zum Kirchentag in Dresden, auf der vierten Seite die übliche, nicht unwitzige Kritik an Margot Käßmann. Eine Abstimmung unter der LeserInnenschaft darüber, ob es in der evangelischen Kirche Geschlechtergerechtigkeit geben kann. Mehr als 2/3 der sicher bestens über die aktuelle Situation in der EKD informierten LeserInnen meinen: Nein. Ich dagegen bin jetzt zumindest informiert darüber, dass eine Menge der sich beteiligenden taz-LeserInnen immer noch und immer wieder gerne ihre bornierten Vorurteile pflegt. Danke! ANKE DÖDING, Wolfsburg

■ betr.: „Falsche Sonntagsruhe“, Kirchentaz vom 4. 6. 11

„Das tatsächlich Empörende an diesem Urteilsspruch ist, dass er die Freiwilligkeit des Tuns untergräbt.“ – Dieser Satz von Jan Feddersen lässt sich an Zynismus kaum überbieten. Klar, niemand ist gezwungen, am Sonntag einzukaufen, wenn die Geschäfte geöffnet sind. Aber zu verkaufen! Was denkt ihr denn, was passiert, wenn die Verkäuferin bei Karstadt sagt, sie arbeitet am Sonntag nicht? Da ist schnell Schluss mit der Freiwilligkeit. Manche Sachen müssen notwendig jeden Tag getan werden, zum Beispiel Kranke versorgen. Aber nicht einkaufen! Das liegt nicht daran, dass Einkaufen sündig wäre oder so was (ich weiß nicht, woher Feddersen den Quatsch hat), sondern daran, dass es den Menschen gut tut, wenn ein Tag in der Woche Ruhe ist, die Menschen Zeit haben für sich und füreinander (und für Gott, wenn sie wollen). Die 10 Gebote sind nicht aus Jux und Dollerei entstanden, sondern es sind Regeln, die ganz allgemein gut sind für die einzelnen Menschen und für das Zusammenleben. Dass die Kirche sich selbst nicht immer an alle Regeln hält/gehalten hat, macht die Regeln nicht falsch. ANTJE GNASS, Braunschweig

■ betr.: „Falsche Sonntagsruhe“, Kirchentaz vom 4./5. 6. 11.

Am Wochenende habe ich Zeit, die taz richtig zu lesen. Deshalb las ich sogar die Kirchen-taz, obwohl ich Kirchentage schauerlich finde, und stieß auf Jan Feddersens neoliberales Plädoyer für die Abschaffung von Arbeitszeitbeschränkungen. In guter protestantischer Tradition will er den arbeitsfreien Sonntag streichen – schon Martin Luther strich seinerzeit rund die Hälfte aller kirchlichen Feiertage, denn Arbeiten ist schließlich gottgefällig.

So ein unangenehmes Wort wie „arbeiten“ nimmt Feddersen jedoch nicht in den Mund, sondern argumentiert mit so überzeugenden Gründen wie „Zeitgemäßheit“, „Freiheit“ und „entspanntem Shoppen“. Die „Freiheit“ der Angestellten, die im Verkaufsbereich arbeiten, und die die Verlängerung der Öffnungszeiten genauso wenig wie die Sonntagsarbeit wollten und wollen, erwähnt er nicht. Mit Sonntagsarbeit ließen sich deren hundsmiserable Arbeitsbedingungen gewiss noch um Einiges verschlechtern.

Ebenso spricht Feddersen zwar für, nicht aber über die Discounter, die sich verkaufsoffene Zeit an sieben Tage in der Woche, 24 Stunden täglich wünschen, damit die Konkurrenz des allerletzten Fachgeschäfts ein bisschen früher verschwindet. Diese Idee sollte ausgeweitet werden: nicht nur KellnerInnen, ÄrztInnen, Krankenschwestern, VerkäuferInnen, PolizistInnen usw., sondern alle sollten Sonntags arbeiten. Jeden Tag die gleiche Menge Autos auf der Autobahn, jeden Tag Rushhour-Getümmel morgens und abends, keinen Tag ein bisschen Ruhe in der Luft. CHRISTINE GRAB, Schönau

■ betr.: „Gott muss ein Grüner sein“, taz vom 6. 6. 11.

Mich stört als Abonnentin und protestantische Christin, dass einzelne taz-AutorInnen immer wieder religiöse Intoleranz und emotionale Querschläge gegen Glaubende zu Papier bringen. Ich erlebe seit 1987 den Evangelischen Kirchentag als Ort der respektvollen Auseinandersetzung und dem Ringen um ethische Antworten auf gesellschaftliche Fragen.

Natürlich stößt auf, wenn Deutschlands oberster Umweltpolitiker 2010 beim ökumenischen Kirchentag zu einer Dialogbibelarbeit über Bewahrung der Schöpfung geladen ist und wenige Monate später – vorhersehbar – die Atomkraftwerkslaufzeiten verlängert. Oder strukturelle Anachronismen auf katholischer Seite wie Zölibat, Verbot der Priesterweihe von Frauen, Stagnation beim ökumenischen Abendmahl oder langes Zögern der Führungsebene, sich für einen Atomausstieg stark zu machen. Und ChristInnen sind ebenso wütend über Pädophilie-Skandale innerhalb wie außerhalb der Kirche. Unpolitischer Kirchentag? Sie nennen selbst die verabschiedeten Resolutionen. Ich nahm an einem Finanzpodium teil, bei dem der Deutsche Bank-Vizechef ausgebuht wurde wegen der Finanzierung von Streubomben und Uranbergbau. Bei meinen Gastgebern waren mehr die Wende und die ostdeutsche Umweltbewegung Gegenstand des Austausches als die Religion. ULRIKE BICKEL, Hamburg

■ betr.: „Das Fernsehen des Teufels“, Kirchentaz vom 3. 6. 11

Warum schreibt Jan Feddersen krampfhaft ein Loblied auf das Fernsehen („wer das Fernsehen nicht aushält, hat im echten Leben keine Chance“ und „ihm wird das Herz verdorren“, weiter über die „Kunst der Meditation vor Bildschirmen“)? Blödsinn! Nur weil ein Referent in Dresden gewagt hat, eine Empfehlung zum Ausschalten zu geben. Tags zuvor wurde die mangelnde Bandbreite der sozial- und gesellschaftlichen Themen auf dem Kirchentag kritisiert. Ich bin davon überzeugt, dass Feddersen bei größerer Themenvielfalt eine Verzettelung angemahnt hätte. Leider ist die Kirchentaz aufgrund ihrer krampfhaften Fehlersuche im christlichen Umfeld nicht in der Lage, facettenreich und nachdenkenswert über den Kirchentag zu schreiben. Schade. CHRISTOPH DAUB, Recklinghausen

Den Deutschen Evangelischen Kirchentag begleitete die taz mit der mehrtägigen Beilage taz.die Kirchentaz.

Der Nutzen dieser Beilage war bei Leserinnen und Lesern umstritten. Waren die einen erfreut über diese Wertschätzung eines christlichen Großereignisses, fürchten andere die Abkehr von der Tradition der Aufklärung und der damit verbundenen alten taz-Leserschaft.

Inhaltlich meinen einige taz-LeserInnen religiöse Intoleranz zu erkennen oder Belanglosigkeit.

Am Ende überwogen jedoch Zuschriften zu der sehr weltlichen Frage, ob das Verbot des Sonntagsshoppens des Teufels ist.