Lebendige Frauen-Filmarbeit

KINO Ein Buch, zwei DVDs und eine Filmreihe im Zeughaus-Kino widmen sich ästhetischen Positionen filmender Frauen

VON SILVIA HALLENSLEBEN

Fast einundvierzig Jahre ist es her, dass im Berliner Kino Arsenal das „1. internationale Frauen-Filmseminar“ (man beachte die Position des Bindestrichs) der BRD stattfand. Heute würde man die Veranstaltung vielleicht als Filmfestival bezeichnen. Doch sie wandte sich gezielt nicht an die Öffentlichkeit, sondern einen ausgesuchten Kreis von Multiplikatorinnen, die an vier Tagen Filme von Frauen sichten, debattieren und dann Kunde davon in die Welt tragen sollten.

Dazu hatten die Initiatorinnen Claudia von Alemann und Helke Sander und ihre Mitstreiterinnen über ein Jahr lang recherchiert: Allein die Anschriften der internationalen Partnerinnen herauszufinden, war in Zeiten vor Internet-Mail-Verteilern eine logistische Herausforderung. Geld gab es vom Gemeinschaftswerk der evangelischen Publizistik unter der Auflage, dass die Veranstaltung einen didaktisch-pädagogischen Charakter haben müsse. Den hatte auch die kleine Broschüre mit Filmlisten und Adressen zum Bestellen von 16-mm-Filmkopien. Gezeigt wurden wegen Geldmangels und der kirchlichen Vorgaben vor allem Dokumentarfilme zu Frauen im Arbeitskampf, Frauen in der Darstellung der Medien, § 218, Sexualität und Rollenverhalten, Frauenbewegung in Europa und den USA.

Das Konzept ging auf, bald bedienten sich Pädagoginnen, Filmclubs und Frauengruppen an dem Angebot und legten die Grundlage für mehrere Jahrzehnte lebendiger „Frauen-Filmarbeit“, wie man damals sagte. Nachzulesen ist das in Berichten der Regisseurinnen Sander und von Alemann, die gemeinsam mit ähnlich anschaulichen Zeugnissen aus fünf Jahrzehnten in einem frisch erschienenen Band versammelt sind. „Wie haben Sie das gemacht?“ heißt das in Anlehnung an das legendäre Buch von François Truffaut mit seiner exzessiv ins Detail gehenden Hitchcock-Befragung. Auch die „Aufzeichnungen zu Frauen und Filmen“, so der Untertitel, verlassen sich – neben einem ausführlichen und kundigen Vorwort der Herausgeberinnen Claudia Lenssen (übrigens selbst taz-Autorin) und Bettina Schoeller-Bouju – ausschließlich auf Statements aus erster Hand.

Ziel war es, Kontinuitäten und Brüche zu erkunden, Vielfalt und Widersprüche. Zwar hat die Präsenz von Frauen in fast allen Bereichen der visuellen Medien unübersehbar zugenommen. Doch stehen sie, wie auch aktuelle Zahlen zeigen, immer noch am Rande des Geschäfts. Konzeptuell ist es der Begriff des Feminismus, der sich in immer wieder neu formierenden An- und Abstoßungsbewegungen durch die Frauen-Filmgeschichte und so auch das Buch zieht.

Die Spanne der befragten Filmfrauen reicht von Erika Gregor zu Fritzi Haberlandt, von der jungen Regisseurin Isabell Suba bis zu Caroline Link oder Annekatrin Hendel („Anderson“). Heute beginnt eine Filmreihe im Zeughaus-Kino, die von Defa-Regisseurin Evelyn Schmidts „Seitensprung“ (1980) bis „Bella Martha“ (R: Sandra Nettelbeck, 2001) exemplarisch fünf ästhetische Positionen filmender Frauen zeigt.

Natürlich machen die nicht qua Natur bessere oder frauenfreundlichere Filme. Dennoch verschiebt weibliche Erfahrung die Perspektive oft erfrischend: So etwa in Mararethe von Trottas erstem eigenen Spielfilm „Das zweite Erwachen der Christa Klages“ von 1978, der kurz nach der Trennung von Schlöndorff und drei Jahre nach der gemeinsamen Böll-Adaption „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ wie der feministische Gegenentwurf aussieht. Da gibt es mit der delinquenten Kindergärtnerin Christa Klages nicht nur eine Heldin, die aus sozialen Gewissen statt aus Liebe handelt. Tina Engel spielt sie unter Trottas Regie auch als herrlich antifeminine Replik auf Angela Winklers still leidende Weiblichkeit.

Zum Buch ist auch eine Doppel-DVD erschienen. Für die Arbeit junger migrantischer Filmemacherinnen – und eine neue Tendenz subjektiv geprägter Familienaufarbeitung – steht darin Pary El-Qualqilis Dokumentarfilm „Schildkrötenwut“ (2012).

Eine besondere Freude ist, dass ein filmhistorischer Meilenstein aus dem Jahr 1971 erstmals auf DVD verfügbar wird. Offiziell zeichnete für „Für Frauen – 1. Kapitel“ Cristina Perincioli verantwortlich. Praktisch war das halbstündige Spielfilm-Experiment um einen Verkäuferinnen-Streik eine Kollektivarbeit mit aktiver Beteiligung weiblicher Laden-Angestellter, die sich selber spielen. Intelligenz, Wut und Spielfreude der Frauen sind heute noch ansteckend. Und zeigen, dass es auch anders geht als in den aktuellen Schlecker-TV-Dramoletten.

■ Bis 30. Oktober im Zeughauskino

■ Claudia Lenssen und Bettina Schoeller-Bouju (Hrsg.): „Wie haben Sie das gemacht? Aufzeichnungen zu Frauen und Filmen“. Schüren Verlag, Marburg 2014, 488 Seiten, 29,90 Euro

■ Die beiden DVDs sind bei absolut Medien erschienen und kosten jeweils 14,90 Euro