Anderer Konsens

Désirée Nick stellte im Tempodrom „Eva go home“ vor, ihr Contra auf „Das Eva-Prinzip“ der Ex-„Tagesschau“-Lady

Désirée Nick strahlend, gertenschlank, in cremefarbener Bluse und heller Hose. So kam die blonde Entertainerin am Samstagabend auf die Bühne der kleinen Tempodrom-Arena, gab lispelnd und berlinernd die Désirée-Nick-Darstellerin und wirkte dabei live wesentlich angenehmer als im Fernsehen oder im RTL-Dschungel.

Sie gab sich weniger überdreht, fuhr ihr Nervigkeitspotenzial zurück und zeigte die trockenen Seiten ihres Humors. Zuerst las sie ein wenig aus ihren früheren Werken. Vor allem der Text „Wie man Männer stubenrein kriegt“ erzeugte bei Besucherinnen jenseits der Lebensmitte Bombenstimmung, schon bald gluckste und kreischte es vielstimmig aus dem Zirkusrund – als stünden die Chippendales auf der Bühne. Es amüsierten sich aber auch viele Ehepaare, schwule Ausgehgruppen und Freundinnenverbände an Frau Nicks Leseshow.

Natürlich ist die Streitschrift „Eva go home“, erschienen vier Monate nach dem berüchtigten „Eva Prinzip“ der Ex-Tagesschausprecherin Eva Herman, ein ziemlicher Schnellschuss. Aber Désirée Nick fühlt sich als alleinerziehende Singlemutter eben der Gruppe der von Herman diskriminierten „depressiv-suizidal Alleinerziehenden“ zugehörig und „musste“ etwas erwidern. „Eva go home“ listet Kapitel für Kapitel die hanebüchenen Thesen von Übermutter Herman auf, um sie dann kritisch-hämisch zu kommentieren und mit Statistiken und eigenen Erfahrungen zu widerlegen. Angenehm dabei ist, dass Nick den Herman’schen Essenzialismusschocker nicht als puren Anlass zum kabarettistischen Krawallschlagen nimmt, sondern dass ihr die Verteidigung des Feminismus und seiner Errungenschaften tatsächlich eine Herzensangelegenheit zu sein scheinen.

Wenn das Buch an manchen Stellen allzu gewollt witzig gerät, holt Nick dieses kleine Manko beim Live-Vortrag auf und deklamiert die Eva’schen Thesen mit angemessener Dramatik: „Der Mann ist infolge seiner genetischen Voraussetzungen unzweifelhaft stärker und größer als die Frau, kann aber keine Kinder bekommen.“ Schön auch theatralisiert Nick den Übertrag prähistorischer Geschlechterverhältnisse auf den modernen Menschen: „Männer bauen Erz und Kohle ab, fällen Bäume, errichten Häuser; Frauen weben, flechten, stellen Matten und Kleider her.“ Wenn Nick dann süffisant ins Publikum fragt: „Nun, meine Damen, wer von Ihnen hat’n heute schon ’ne Matte geformt“, kreischt der Saal wieder vor Vergnügen.

Die Streitschrift „Eva go home“ bietet sicher keine besonders tiefgründige Analyse, aber immerhin steht die Kabarettistin auf der richtigen Seite und erreicht ein breites Publikum. Plätschert die Leseshow erst ganz angenehm dahin, wird die Nick später schärfer im Ton. Sie geißelt Eva Hermans Buch als „rassistisch“ und „volksverhetzend“ (DDR-Erziehungsmethoden machten aus Ostlern Seelenkrüppel!) und trägt genüsslich die absurden Auswüchse der Herman’schen Geschlechter-Lehre vor: „So werden berufstätige Frauen als hormongeschädigt diskriminiert. Denn zu männliches Verhalten führt zu zu viel Testosteron, was wiederum zu weitreichenden Fehlentwicklungen führt: zum Verlust der weiblichen Sanduhr-Figur, zur medizinischen Verhornung der Haut und zur gefürchteten ‚Spätakne‘ der Karrierefrau.“

Gegen Ende der Lesung verliert Frau Nick zwar ein wenig den Faden und muss viel blättern, was den Zuschauern aber nichts ausmacht. Und auch die kritische Berichterstatterin ist nach all den schrecklichen Backlash-Talkrunden zum Thema Rabenmütter und Hausfrauen erleichtert, dass zumindest im Tempodrom ein anderer Konsens herrscht.CHRISTIANE RÖSINGER