Mit Rohrbombe gegen Rote Karte

ZYPERN Im Fußball der Mittelmeerinsel grassiert die Gewalt. Schon drei Mal gab es Attentate auf Schiedsrichter

„Wir sind in jüngster Zeit zu Lachfiguren geworden“, schimpft der Schiedsrichterfunktionär Skapoullis. „Ständig werden Anschläge auf uns verübt“

ATHEN/NIKOSIA taz | Vor der braunen Holztür lag ein Wasserrohr, gefüllt mit Dynamit. Um 3.30 Uhr in der Nacht explodierte der Sprengsatz. Ziel des Anschlags in Zyperns Hauptstadt Nikosia war der Verband der Fußballschiedsrichter Zyperns, abgekürzt SDK. Immerhin, verletzt wurde niemand, der Sachschaden an dem Gebäude hält sich in Grenzen, aber die Explosion war weithin in der Stadt zu hören.

Aber es ist bereits das dritte Bombenattentat auf Zyperns Schiedsrichter seit Beginn des Jahres. Ende Februar war am Stadtrand von Nikosia ein Sprengstoffattentat auf das Auto des zyprischen Fifa-Schiedsrichters und früheren SDK-Präsidenten Leontios Trattos verübt worden. Ende September explodierte zudem ein Molotow-Cocktail vor dem Privatanwesen des Schiedsrichters Andreas Andreou in der Hafenstadt Limassol.

Sogar Fifa-Chef Sepp Blatter sah sich zu einer Wortmeldung veranlasst. „Ich verurteile die jüngste feige Tat und erkläre mich mit Zyperns Schiedsrichtern solidarisch“, schrieb Blatter an Zyperns Verbandschef Kostakis Koutsokoumnis. „Es ist völlig unabdingbar, dass ihnen sowohl die Fußball-Community als auch die lokalen Polizeibehörden den nötigen Respekt dafür zollen und ihnen Schutz gewähren.“ Auch die Fifa hoffe, versicherte Blatter den zyprischen Funktionären, „dass die Täter dieser kriminellen Handlungen schon bald vor Gericht gebracht werden.“

Das kann aber dauern. Immerhin weiß man, dass alle drei Anschläge nach dem gleichen Muster abliefen. Der SDK hatte schon wenige Tage nach dem Attentat in Limassol in betont harschem Ton darauf hingewiesen, dass das betreffende Attentat auf den Schiedsrichterkollegen „15 Tage nach einer bestimmten Partie verübt worden war, nach der wiederholte Kritik von den Medien an der Leistung unseres Mitglieds laut geworden war“.

Es ging um die Erstligapartie am dritten Spieltag dieser Saison zwischen Nea Salamina Famagusta und Omonia Nikosia, das 1:1 endete. In der 50. Spielminute hatte der Schiedsrichter dem Omonia-Profi Stepanov die Rote Karte wegen absichtlichen Handspiels gezeigt. Es kam zu Ausschreitungen, das Spiel wurde unterbrochen, und ausgerechnet den fälligen Freistoß verwandelte Salamina zum Ausgleich. Der Hinweis auf das Handspiel kam von Linienrichter Andreas Andreou, dem Anschlagsopfer von Limassol.

Omonia gilt im zyprischen Fußball als der Klub der Linken, während etwa Rekordmeister und Lokalrivale Apoel – von dem sich Omonia 1948 während des Griechischen Bürgerkriegs abgespalten hat – als sportliche Heimat der Rechten gilt.

Beim SDK verweist man jedoch darauf, dass die Gewalt ganz allgemein den zyprischen Fußball erfasst hat. „Wir sind in jüngster Zeit zu Lachfiguren geworden“, schimpft SDK-Generalsekretär Charalambos Skapoullis. „Ständig werden Anschläge auf uns verübt. Offenbar kann jeder ungestört diese Taten verüben, ohne dass er gefasst wird.“ Skapoullis fordert: „Die Schiedsrichter, die Funktionäre und die Fußballer müssen im Stadion unbehelligt ihre Arbeit verrichten können, weit weg vom Unwesen der Hooligans, von extremen Elementen und Bombenattentaten.“

Dimitris Dimitriou, langjähriger Sportchef der angesehenen Tageszeitung Politis, warnt hingegen davor, die jüngsten Ereignisse überzubewerten: „Es mag vielleicht verwundern: Die Gewalt im Fußball war hier früher weitaus schlimmer. Die Verantwortlichen im Fußball tun bereits eine Menge gegen das Problem.“

So gesehen macht Zypern Fortschritte. Nach dem dritten Bombenattentat in diesem Jahr mahnte der SDK denn auch zur Besonnenheit. FERRY BATZOGLOU