Wo die Demonstrationsfreiheit endet

An den Haupttagen des Gipfels sind Demos schon Kilometer vor dem Sicherheitszaun ums Tagungshotel verboten

BERLIN taz ■ Die Polizei hat während des G-8-Gipfels im Ostseebad Heiligendamm per Allgemeinverfügung ein weiträumiges Demonstrationsverbot verhängt. Gipfelgegner haben Klagen dagegen angekündigt.

Konkret hat die Polizeidirektion Rostock drei räumlich und zeitlich differenzierte Demonstrationsverbote verhängt. Vom 30. Mai bis zum 8. Juni sind innerhalb der Sicherheitszone I alle Umzüge und Kundgebungen verboten. In der Sicherheitszone I liegt die Gemeinde Heiligendamm, die durch einen extra erbauten rund 12 Kilometer langen Zaun abgeschirmt ist. Auch im Abstand von 200 Metern zum Zaun sind in dieser Zeit keine Demonstrationen möglich. Das zweite Demonstrationsverbot betrifft einen kürzeren Zeitraum, aber eine noch größere Fläche. So können vom 5. bis 8. Juni, also während des eigentlichen G-8-Gipfels, in einer Sicherheitszone II keine Demos stattfinden. Diese Zone liegt in einigen Kilometern Abstand um die Zone I herum und reicht bis an die Kreisstadt Bad Doberan heran. Ein drittes Demonstrationsverbot betrifft den Flughafen Rostock-Laage, über den viele Gipfelteilnehmer an- und abreisen. Dort sind vom 2. bis 8. Juni keine Demonstrationen möglich.

Begründet wurden die Verbote mit den Aufrufen von Gipfelgegnern, den Zaun um Heiligendamm gewaltsam zu überwinden und die Zufahrtswege zum Gipfel „real und effektiv“ zu blockieren. Damit seien die Sicherheit der Gipfelteilnehmer und die Arbeitsfähigkeit gefährdet. Immerhin seien die Mitglieder der Delegationen überwiegend nicht in Heiligendamm selbst untergebracht, sondern in Hotels der Umgegend, sagte Polizeisprecher Axel Falkenberg zur taz. Auch der Zugang für Rettungsfahrzeuge müsse gewährleistet bleiben. Ein generelles Demonstrationsverbot sei erforderlich, weil „Erfahrungen zeigen, dass aus dem Schutz friedlicher Versammlungen heraus Gewalttäter erfolgreich ihre Ziele erreichen“, so die Polizei.

Betroffen von dem Verbot ist insbesondere ein Sternmarsch am 7. Juni, der vom Dissent-Bündnis geplant und von der Links-Abgeordneten Ulla Jelpke angemeldet wurde. Er sollte zumindest bis an den Zaun der Sicherheitszone I führen. Die Polizei bot Alternativrouten an, die jedoch für die Veranstalter nicht akzeptabel waren. Aus Kreisen der Veranstalter wurden bereits mehrere Klagen beim Verwaltungsgericht Schwerin angekündigt. Attac-Aktivist Werner Rätz argumentiert, der Sternmarsch sei bereits angemeldet worden, als der Zaun noch gar nicht stand.

Stattfinden können aber zahlreiche andere Demonstrationen der Gipfelgegner, insbesondere die Großdemonstration am 2. Juni in Rostock. Während des Gipfels sind weiterhin Demonstrationen in der Kreisstadt Bad Doberan möglich. Die demonstrationsfreien Zonen sollen während der Gipfeltage mit Polizeikräften gesichert werden, sagte Polizeisprecher Falkenberg.

Wer versuche, Polizeisperren zu umgehen oder über den Zaun der Sicherheitszone I zu klettern, müsse mit einer Festnahme nach dem Landespolizeigesetz rechnen. Es sieht „Gewahrsam“ vor, wenn Straftaten unmittelbar bevorstehen, bis die Gefahr vorüber ist. Wie die Polizei Blockaden der Zufahrtsstraßen außerhalb der Sicherheitszone II verhindern will, wollte der Sprecher nicht sagen: „Das ist Polizeitaktik.“ CHRISTIAN RATH