Am Knöpfchen drehen

Klangklötzchenschieben war gestern. Das Festival “computer.musik.instrument.“ beweist das Neuerungsbedürfnis der Computermusik. Hilfsmittel: Eine Musik-Enzyklopädie und die Hände

VON CHRISTIAN WERTHSCHULTE

Ende der Neunziger hielten die Laptops Einzug in die Improvisierte Musik. Das Soundereignis war gleich dem visuellen Mehrwert: zurückhaltend, minimal und konsequent die Stille nutzend. Und während Kritiker bis heute die Statik einer Laptop-Performance beklagen, war sie der logische Schritt aus der steigenden Prozessorgeschwindigkeit – der Computer als Musikinstrument wurde endlich live spielbar und der auf den Bildschirm starrende Laptopmusiker war geboren. Seine Vielseitigkeit demonstriert das seit Donnerstag laufende Festival „computer.musik.instrument“ in Köln. Für den Frankfurter Ekkehard Ehlers stellte der Laptop den Einstieg ins Musikmachen dar. Musik liegt digital archiviert vor, das Archiv muss also nur noch neu sortiert werden, um auch einen Bezug zur analogen Welt herzustellen. So bekommt Hubert Fichte dann seinen Tribut durch eine digitale Soundcollage der Exkursionsorte des Schriftstellers gezollt. Live bietet Ehlers anstelle des Referenzüberflusses Understament. Mit Bier in der einen Hand und Zigarette in der anderen, lässt er der Software freien Lauf und zeigt die Selbstbeteiligung am Klanggewitter durch sanftes Fußwippen.

Bob Ostertag verkörpert einen anderen Umgang mit dem Sample-Material. Seit mehr als zwanzig Jahren nutzt er den Sampler als Mittel zur Darstellung sozialer Realität. Eine politische Motivation seiner „Reality Music“ ist dabei nicht von der Hand zu weisen, das Appellieren überlässt er lieber den gutmenschelnden Rockstars. In den 1980er Jahren tauschte Ostertag die Musik gegen den Journalismus und verbrachte einige Zeit in den Kriegsgebieten Mittel-Amerikas. Als Musiker zeigt sich diese Politisierung im Umgang mit dem Quellmaterial. Ostertag versucht, seinen Kontext zu erhalten, anstatt das Ausgangsmaterial nur zu einem neuen Mix zu verweben und thematisiert auf einer zweiten Ebene die Rolle von Musiktechnologie. Während des Kosovokriegs reiste er 1999 nach Novi Sad und Belgrad, um seine „Yugoslavia Suite“ aufzuführen, eine Collage aus realen und virtuellen Kriegsbildern die über den Audiosampler mit einem Joystick gesteuert werden. Parallelen zum realen Kriegsgeschehen sind leicht auszumachen. Zum einen gleichen sich die Grafikinterfaces von Kampfflugzeugen und Videospielen schon seit längerem an, zum anderen liegen Sampling und Kriegstechnologie dieselben wissenschaftlichen Erkenntnisse zugrunde. Für seinen Auftritt in Köln hat Ostertag eine Collage aus Sounds von Computerspielen erstellt, die über Gamepads gesteuert werden – das ist auch ein Kommentar zum Markt für Musiktechnologie.

Dort ist „haptisch“ schon seit längerem das Buzzword für Produktinnovationen. Nachdem die digitale Emulation alter Synthesizer so langsam an ihr Ende gekommen sein dürfte, braucht es jetzt halt neue Earcatcher. Trackpad und Tastatur sind als Interfaces nicht besonders sexy. Und während im Monatstakt neue Interfaces den Markt überschwemmen, die nur die klassische Klaviertastatur mit ein paar Drehknöpfen verzieren, bastelt der Niederländer Michel Waisvisz in Amsterdam schon seit den frühen 1980ern an seinen Controllern, die das MIDI-Protokoll für Sounds in den Zwischenräumen der Fibonacci-Skala nutzen. Heute nachmittag begibt er sich in den Kölner Stadtgartenpark um mit dem Kontrabassisten Paul Edwards, dem Posaunisten Paul Hubweber und den Umgebungsgeräuschen zu musizieren. Den Dialog setzt abends das Duo Audible fort. DJ sniff nutzt den Plattenspieler als Instrument und der Softwaredesigner Yukata Makino reagiert mit einem selbstgeschriebenen Programm auf die Klangmanipulationen seines Gegenübers. Später folgt dann der Auftritt der Köln-Wiener Supergroup um Joseph Suchy, Martin Brandlmayr, Hanns Hölzl und Andrew Sharpley, die seit Donnerstag in dieser Konstellation proben. Auch dort wird auf der Bühne ein Laptop aufgeklappt sein und stören wird sich an ihm niemand.

Sa, ab 17:00 Uhr, Stadtgarten, Köln Infos: www.z-a-m.eu/cmi