Was tun in Hamburg?
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■ Fr, 24. 10., 20 Uhr, Schauspielhaus/Malersaal

Neue Nachbarin

Am Anfang ist da ein Husten. Ein ordentlicher Raucherhusten. Dazu ein raues, kehliges Lachen. Und schwankende Schritte im Treppenhaus und ein kleiner, träger Hund, der nicht immer so mag, wie sein Frauchen will. Auftritt Martha. Martha, die in der Davidstraße wohnt, auf St. Pauli. Und die dort auf den angehenden Schauspieler und Schriftsteller Michael Weber treffen wird, der inzwischen zum Ensemble des Deutschen Schauspielhauses gehört. Und der ursprünglich aus Pinneberg stammt – auch ein Schicksal. Zurück geht es in die 1980er-Jahre, und wie St. Pauli damals war, darüber hat heute ja jeder so seine ganz eigene Einschätzung: ursprünglich und noch nicht so kaputt. Oder auch schon damals verraten und verkauft. Doch der Romanautor Weber muss nicht mit angeblichem Insider-Szenewissen protzen; „Martha“ (Laika Verlag, Hamburg 2014, 224 S., 18 Euro) ist das ganze Gegenteil dieser Wischiwaschi-St.-Pauli-Texte: Hauptsache Punk und Hafenstraße und man ist, klar, dabei gewesen. „Martha“ bleibt lieber Martha treu; erzählt von einem Proletarierinnenleben, erzählt von einer ganz eigenen Freundschaft; erzählt davon, wie die Jahre vergehen und wie zerbrechlich das Glück ist. „Martha“ – das Wort sei erlaubt – ist ein großartiger, ist ein wunderbarer, ist ein zutiefst menschlicher Roman.  FRAK

■ Di, 23. 10., 20 Uhr, Golem

Horror Flexibilität

Ein Happy End gibt es nicht. Stattdessen hat Tatjana Turanskyi mit ihrem Spielfilmdebüt „Die flexible Frau“ einen veritablen Sozialschocker gedreht: nach einer Tour de force durch die postkreative entsicherte Arbeits und Lebenswelt und durch allerlei unansehnliche Berliner Stadtrandgebiete feiert die Architektin Greta ihren 40. Geburtstag vollkommen allein und besoffen auf einem Maisfeld vor den Toren der Stadt – und die Kamera torkelt mit. Das Architekturbüro, in dem sie als Freie gearbeitet hatte, hat ihr anderthalb Filmstunden zuvor gekündigt. Und der freie Fall als „flexible Frau“ durch eine Welt ohne jegliche Solidarität begonnen. Greta versucht, wieder Fuß zu fassen, will sich Arbeit vermitteln lassen, heuert in einem Callcenter an – und scheitert gnadenlos. Weil es ihr einfach nicht gelingt, ihren Traum aus der Welt der Arbeit zu verbannen: den Traum von einem menschlichen Leben.

■ Do, 23. 10. bis So, 2. 11. Programm: festival-eigenarten.de/

Kultur im Plural

Dass der Kultur-Plural sich nicht nur als entweder gefährliches oder unverbindlich-tolerantes Nebeneinander vorstellen lässt, sondern vor allem Chancen bietet, will das Festival „Eigenarten“ zum fünfzehnten Mal ganz praktisch erfahrbar machen. Hamburger KünstlerInnen, die interkulturell und mit einem irgendwie erkennbaren Hamburg-Bezug arbeiten, geben nicht nur einen Einblick in unterschiedliche Traditionen, Religionen oder Philosophien und stellen unter Beweis, wie ein Miteinander trotz und gerade wegen all der Unterschiede funktionieren kann, sondern zeigen auch, dass das Interkulturelle selbst in Bezug auf die Akzeptanz als anders erfahrener Lebens und Denkweisen konstruktiv wirkt – Weltoffenheit im starken Wortsinn also.  MATT