Schrecken ohne Ende

Experten des UN-Menschenrechtsrates geißeln ungewohnt offen die Verbrechen von Sudans Regierung in Darfur

VON DOMINIC JOHNSON

„Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit dauern in Darfur an. Wir kommen zu dem Schluss, dass die Regierung des Sudan offensichtlich darin versagt hat, die Bevölkerung Darfurs zu schützen, und dass sie diese Verbrechen selbst orchestriert und daran teilgenommen hat. So ist die feierliche Verpflichtung der internationalen Gemeinschaft, ihre Schutzverantwortung wahrzunehmen, deutlich und dringend geworden.“

Der Bericht zum Krieg in Sudans Westregion Darfur, den ein Expertenteam des UN-Menschenrechtsrates gestern dem Rat zur Eröffnung seiner Sitzung in Genf vorlegte, lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. „Frauen, Kinder und Männer sind wahllos getötet worden. Dörfer wurden dem Erdboden gleichgemacht, Viehherden gestohlen oder getötet, Ernten vernichtet und ganze Bevölkerungen zwangsvertrieben, zum Teil in einem Versuch, Rebellengruppen von Unterstützung und Ressourcen abzuschneiden. Insbesondere sind systematische Vergewaltigungen und sexuelle Übergriffe verbreitet, wodurch Frauen terrorisiert und Familien und Gemeinschaften zerstört werden.“

Nähme der UN-Menschenrechtsrat, dessen Gründung letztes Jahr als Fortschritt auf dem Weg zur Reform der Vereinten Nationen in ein handlungsfähiges Organ der Staatengemeinschaft gepriesen worden war, diesen Bericht ernst, müssten jetzt sofort Zwangsmaßnahmen folgen: die Isolierung des Sudan auf internationaler Ebene, militärisches Eingreifen zum Schutz bedrohter Bevölkerungen. Aber damit ist nicht zu rechnen (siehe Text unten).

Am 13. Dezember hatte der UN-Menschenrechtsrat nach langen und angespannten Beratungen die Zusammenarbeit des Sudan mit der UNO begrüßt und die Entsendung von Experten nach Darfur beschlossen. Seitdem hat Sudans Regierung die Stationierung von UN-Blauhelmen in Darfur erfolgreich hintertrieben. Die Expertenkommission des Menschenrechtsrates bekam nicht einmal Visa für den Sudan. „Über einen Zeitraum von 20 Tagen zwischen dem 26. Januar und dem 14. Februar wurden in Genf, Addis Abeba und Khartum über zwanzig Versuche unternommen, Visa zu bekommen und die Zusammenarbeit mit der sudanesischen Regierung zu erreichen“, schildern sie in ihrem Bericht – vergeblich. Die Ortsbesichtigung der UN-Experten musste sich auf Flüchtlingslager im Tschad beschränken. Dort kommen immer neue Vertriebene an. 233.000 Darfur-Flüchtlinge leben inzwischen unter UN-Aufsicht in tschadischen Lagern, viele andere in Dörfern.

Mit dem Bericht erhöht sich immerhin der öffentliche Druck. Am 27. Februar reichte der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag einen umfangreichen Klageantrag ein, der detailliert die Zusammenarbeit zwischen staatlichen Stellen und regierungstreuen Milizen beim Begehen von Kriegsverbrechen in Darfur beschrieb. Am 5. März äußerte der EU-Außenministerrat seine „riefe Besorgnis über die anhaltende Verschlechterung der Sicherheitslage und der humanitären Krise in Darfur“ und erklärte seine Unterstützung für die „dringende Beratung zusätzlicher Maßnahmen durch den UN-Sicherheitsrat“. Am 6. März stellte die US-Regierung in einem Menschenrechtsbericht offiziell fest: „Der Genozid tobt weiter in Darfur. Sudans Regierung und die von der Regierung gestützten Janjaweed-Milizen tragen für den Völkermord die Verantwortung.“

Politische Folgen hat das alles noch nicht. Noch immer setzt die UNO darauf, dass der mit einem Teilabkommen begonnene Darfur-Friedensprozess zwischen Sudans Regierung und Darfurs Rebellen irgendwann die Region insgesamt befriedet und dass die UNO irgendwann Sudans Widerstand gegen eine Truppenentsendung bricht. Beide Entwicklungen sind völlig unwahrscheinlich, und mangels einer politischen Alternative eskaliert der Krieg.

Die UN-Menschenrechtsrats-Experten stellen klare Forderungen: „sofortiger, effektiver Schutz von Zivilisten; erneute Fortschritte in Richtung Frieden; mehr humanitäre Hilfe; Täter müssen zur Rechenschaft gezogen werden; Beseitigung der Ursprünge des Konflikts; deutliche Entschädigung und Sühne für Opfer; gemeinsame Anstrengungen, die vielen bestehenden Forderungen internationaler Menschenrechtsgremien umzusetzen.“ Das klingt einfach – und ist angesichts der Lage reine Utopie.