: Gibt es noch Freizeit?Horst W. Opaschowski
STREITFRAGE Es gab einmal eine Zeit, da arbeiteten die Menschen acht Stunden am Tag und wurden dafür entlohnt. Wie es scheint, fangen in Zukunft Märchen so an. PC und Internet hebeln diese Errungenschaft aus. Auch so ein schönes Wort wie „Überstunden“ wird es wohl bald nicht mehr geben
In einer Rund-um-die-Uhr-Gesellschaft geraten die Zeitblöcke von Arbeit und Freizeit durcheinander. Lange habe ich damit gerechnet, nun ist es so weit. Für die „Generation @“ ist das Heim ein Boxenstopp. Ihr Leben gleicht dem vernetzter Nomaden, rast- und ruhelos, die überall ihre Zelte aufschlagen können. Zugleich sind sie auf der Suche nach Halt, die ihnen das Netz rund um die Uhr gewährt. Diese 24-Stunden-Gesellschaft fordert ihren Tribut: Aus Angst, etwas zu verpassen, gehen die Menschen das Risiko von Zeitnot ein und träumen dabei vom Zeitwohlstand.
Horst W. Opaschowski 73, gründete 1979 das BAT Freizeit-Forschungsinstitut und ist Deutschlands bekanntester Freizeit- und Zukunftsforscher
Ursula Brundiers
Ich glaube nicht, dass Erschöpfung und Niedergeschlagenheit an den neuen Medien und der ständigen Erreichbarkeit liegen. Diese liefern ja auch viele Vorteile. Wichtig ist, dass man überzeugt ist von seinem Tun. Daran mangelt es, glaube ich, heute bei vielen Jobs. Deshalb braucht man dann Auszeiten vom Unsinn.
Ursula Brundiers 65, ist taz-Leserin aus Hofheim und hat die Streitfrage per Mail kommentiert
Heinrich Alt
Durch Handys sind Arbeit-nehmer dauernd Stand-by.Wir nutzen neue technische Möglichkeiten nicht, um uns Freiräume zu schaffen, sondern um uns zu geißeln. Arbeit verdichtet, beschleunigt und entgrenzt sich. Privatleben und Arbeit vermischen sich zu einem stressigen Brei. Dabei braucht jeder Mensch Muße.
Heinrich Alt 64, ist Mitglied im Vorstand der Bundesagentur für Arbeit
Rebecca Immanuel
Durch permanente Erreichbarkeit verschwimmen die Grenzen zwischen Arbeit und Erholungszeit. Dabei scheint mir „Frei“-Zeit als Ausgleich wichtiger denn je. Es braucht eine bewusste Entscheidung für eine selbstbestimmte, störungsfreie Zeit – und vielleicht auch ein bisschen Vertrauen, dass die Welt nicht untergeht, wenn man mal offline ist.Rebecca Immanuel 43, ist Schauspielerin. Bekannt wurde sie durch die Anwaltsserie „Edel & Starck“
David Denk
Ja, es gibt schon noch Freizeit – wenn wir sie uns nehmen und sie verteidigen. Rituale helfen dabei, unumstößliche Sperrzeiten, in denen klar ist, dass wir etwas für uns tun. Schließlich ist es nicht weniger als eine Machtfrage: Haben wir einen Job oder hat der Job uns?
David Denk 33, ist Journalist und Autor des Buchs „Der Hobbyist – Auf der Suche nach der verlorenen Freizeit“
Timothy Ferriss
Freizeit muss man sich in den Terminkalender schreiben. Viele erfolgreichen Leute schaffen sich „freie Zeit“, weil sie verstehen: Wenn es sich anfühlt, als hätte man keine Zeit, dann hat man keine klaren Prioritäten – diese braucht man aber.
37, ist amerikanischer Bestsellerautor. Er schrieb „Die 4-Stunden-Woche“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen