Der Telekom die Treue halten?

Lohnkürzungen für die Beschäftigten, schlechter Service für die KundInnen: Das Ansehen der Telekom sinkt rapide. Doch sind die privaten Konkurrenten in der Kommunikationsbranche wirklich besser für Nutzer und MitarbeiterInnen? Oder ist die Telekom trotz allem die erste Wahl?

KORNELIA DUBBEL sitzt im aktuellen Streik als Vorsitzende des Fachbereichs Telekommunikation in der Verdi-Verhandlungskomission. Sie ist seit vierzig Jahren bei der Telekom angestellt. Anfangs hat sie für den Bonner Konzern im Schichtdienst in der damaligen „Vermittlung von Auslandsgesprächen“ gearbeitet.

JA

Und jetzt ab zur Konkurrenz, der gebeutelten Telekom die kalte Schulter zeigen? Nee, das bringt gar nichts. Wer cool ist, bleibt und macht denen Dampf, die es zum Besseren wenden könnten: dem Vorstand in Bonn. Parole: hohe Tiere mit Millionengehältern an die Strippe kriegen. Von der 0800 kann man da allerdings nicht durchstellen. Fragen Sie die Auskunft – oder schreiben Sie an Herrn Obermann.

Statt ein paar läppische Euro bei der Konkurrenz zu sparen und wenige Monate später in die oftmals bereits aufgestellte Kostenfalle zu tappen und draufzuzahlen, macht es auch ein gutes Gewissen, bei der Deutschen Telekom zu bleiben. Denn noch hat die Telekom, anders als manch anderes Unternehmen, annehmbare Tarifverträge, vernünftige Arbeitsbedingungen, zahlt auch in den unteren Lohngruppen mehr als den vom DGB geforderten Mindestlohn von 7,50 Euro und bietet bisher jährlich 4.000 Ausbildungsplätze an. Natürlich nicht ganz freiwillig, sondern aufgrund von Verhandlungen mit Verdi.

Die Halbwertzeit der Telekom-Vorstände beträgt zur Zeit 17 Monate. Getoppt wird sie nur noch von den 18 Umorganisationen – alle sieben Monate eine neue. Da wird den Beschäftigten schon mal schwindelig vor lauter Ideen, die irgendwo eingekauft und umgesetzt werden.

Den neuesten Clou hat offenbar Telekomchef Obermann erdacht: Motivation durch Demotivation! Das funktioniert so: Man vereinbart mit den Beschäftigten, die Wochenarbeitszeit auf 34 Stunden zu verkürzen, um 10.000 Arbeitsplätze zu sichern, die geben dafür Weihnachts- und Urlaubsgeld ab. Zwei Jahre später erzählt man ihnen, sie seien nicht produktiv genug. 50.000 Mitarbeiter müssten nun ausgelagert, ihre Arbeitszeit (natürlich ohne Lohnausgleich) wieder erhöht werden und – jetzt kommt der Dobermann durch: Man will noch neun Prozent Gehaltskürzung durchsetzen, drei Jahre Nullrunden abpressen, Pausen und Erholzeiten kassieren und vorbereitende Arbeiten zur Freizeitgestaltung erklären. Das ist Management, bei dem selbst die Financial Times Deutschland von Unsinn spricht.

Man hätte ja auch mal eine Milliarde Euro vom vorhandenen Gewinn nehmen, in Zukunftstechnologien investieren, marode IT-Systeme auf den Müll werfen, mit den Beschäftigten ein serviceorientiertes Konzept erarbeiten und umsetzen lassen und funktionierende Arbeitsprozesse schaffen können – das bringt den Service, den die Kunden brauchen ! Die Belegschaft mit ihrer Gewerkschaft setzt sich dafür ein. Und wenn die Kunden dem Vorstand klar machen, wo sie stehen, wird die Umsetzung noch vor der nächsten Halbwertzeit stattfinden. Dann war es gut, eben doch bei der Telekom geblieben zu sein.

KORNELIA DUBBEL

NEIN

Die Frage, vor der Verbraucher heute stehen, ist nicht eine von Treue, sondern von Qualität des Leistungsangebotes, günstigen Preisen und gutem Service. Gerade hinsichtlich Preis und Service hat die Telekom trotz aller Anstrengungen immer noch erheblichen Nachholbedarf. Und dank des Wettbewerbs haben die Verbraucher die Möglichkeit, mit den Füßen abzustimmen und sich aus vielen Unternehmen den Anbieter der Wahl auszusuchen.

Verbraucher profitieren vom Wettbewerb aber nicht nur durch diese Wahlmöglichkeit. Insbesondere ihr Geldbeutel ist seit der Marktöffnung vor knapp zehn Jahren deutlich entlastet worden. So sind seitdem zum Beispiel die Preise für Telefonate aus dem Festnetz um über 90 Prozent gefallen, die Kosten für DSL-Anschlüsse allein in den vergangenen drei Jahren um fast 40 Prozent. Ohne Wettbewerb würden die Kunden auch heute noch die überteuerten Preise des Ex-Monopolisten entrichten müssen – ohne sich dagegen durch einen Anbieterwechsel wehren zu können.

Die Kundenverluste der Telekom sind jedoch nur auf den ersten Blick so dramatisch, wie sie häufig dargestellt werden. Nach wie vor ist der Ex-Monopolist bei den meisten Telekommunikationsleistungen Marktführer und verdient auch über die Vermietung von Leitungen an die Wettbewerber prächtig. Letztere organisieren aber im Vergleich zur Telekom ihre Prozesse deutlich effizienter, was sich auch in einer höheren Produktivität pro Mitarbeiter niederschlägt.

EVA-MARIA RITTER (36) vertritt die Konkurrenz der Telekom: Sie leitet die Pressearbeit für den Kölner „Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten“, der sich für mehr Wettbewerb einsetzt. Zuvor hat sie auch schon für den Internetdienstleister AOL gearbeitet.

Wenngleich viele Probleme der Telekom hausgemacht sind, der aktuelle Streik von Verdi geht völlig an den technologischen und ökonomischen Realitäten vorbei. In allen entwickelten Volkswirtschaften weltweit ist derzeit die Umrüstung der Telekommunikationsnetze auf so genannte Next Generation Networks im Gange. Diese neuen, auf Internet-Technologien basierenden Netze erlauben es, alle Dienste (Telefon, Internet, TV) über ein Netz zu transportieren, und nicht wie bislang über separate Netze. Wartung und Administration dieser Next Generation Networks erfordern um bis zu 50 Prozent weniger Personal als die herkömmlichen Telefonnetze.

Die Telekom, die auch im Festnetzmarkt international im Wettbewerb steht, muss diese Entwicklung mitmachen und ihre Netze entsprechend umrüsten. Dadurch benötigt sie künftig wesentlich weniger Arbeitskräfte. Um genau die geht es bei der derzeitigen Umorganisation des Konzerns. Dass Verdi nun dagegen streikt, ist genauso, als würde man im Winter bei Minusgraden gegen das damit verbundene Glatteis streiken. Ein solcher Streik kann gar keinen Erfolg haben. Ob durch seine Auswirkungen jedoch nicht weitere Kunden der Telekom nicht mehr die Treue halten und zu einem alternativen Anbieter wechseln, ist zumindest nicht ganz unwahrscheinlich. Aber auch für die Kunden, die bei der Telekom bleiben, zahlt sich der Wettbewerb in Form von niedrigeren Preisen und einem größeren Leistungsangebot beim Ex-Monopolisten bereits heute aus.

EVA-MARIA RITTER