Gewinnbringende Lehre

Weil zwei Dozenten der Bremer Universität ihre SeminaristInnen allzu sehr für die Zwecke ihrer Unternehmensberatung einspannen wollten, musste sie jetzt gehen – auf Protest der Studierenden

von Jan Zier

„Realitätsnah“ sollte sein Seminar sein, hatte der Lehrbeauftragte André Karczmarzyk versprochen, und „anwendungsorientiert“. Dagegen konnte niemand etwas haben, nicht der Studiendekan der Human- und Gesundheitswissenschaften, nicht die „Public Health“-Studierenden der Uni Bremen. Anfangs jedenfalls.

Bis Karczmarzyk seinen Studierenden eröffnete: Wer das Modul „Wahrnehmung und Kommunikation“ erfolgreich absolvieren wolle, der müsse verschiedene Unternehmen über ihre interne Kommunikation befragen. Die dazugehörigen Fragebögen kämen von der Unternehmensberatung ecco aus Oldenburg, der passende Informationsflyer auch. Die Auswertung derselben – übernehme ecco. Die Liste der zu befragenden Firmen – stelle ecco. Der Geschäftsführer der ecco: André Karczmarzyk, Lehrbeauftragter.

Der hielt seine StudentInnen auch gleich dazu an, auf das „Trendforum 2007“ aufmerksam zu machen, eine Messe, von ecco organisiert. Es geht dort um „die Zukunft der internen Kommunikation in der deutschen Wirtschaft“. Die Eintrittskarten kosten 100 Euro, zuzüglich Mehrwertsteuer.

Das Seminarkonzept sei an anderen Hochschulen bereits mit Erfolg angewendet worden, hatte Karczmarzyk der Uni Bremen vorgetragen. „So ist unser Know-how stets auf dem neuesten Stand“, heißt es auf der Homepage von ecco, und dass man „durch intensiven Erfahrungsaustausch“ mit Universitäten sowie die „regelmäßige Bearbeitung von Forschungsprojekten“ in der Lage sei, „hochqualifiziertes Wissensniveau“ anzubieten.

Die Studierenden sahen das kritischer, das Seminarkonzept lehnten sie in einer Abstimmung mehrheitlich ab. „Wir möchten uns nicht an der ‚Marketing-Strategie‘ von ecco beteiligen“, heißt es in einem offenen Brief der Studierenden an ihren Studiendekan Dietrich Milles. „Hier wird unter dem Deckmantel universitärer Bildung und einem angeblichen Lerneffekt dreist versucht, Werbung für ein privates Unternehmen der freien Wirtschaft zu machen.“ Von Milles forderten die Studierenden schlicht die Abberufung Karczmarzyks – „wegen Missbrauchs von Lehraufträgen“. Auch Christina Bathmann, ebenfalls Dozentin der Uni Bremen, ebenfalls bei ecco beschäftigt, müsse von ihrem Lehrauftrag entbunden werden. In 20 Jahren Uni-Geschichte sei ihm ein ähnlicher Fall noch nicht untergekommen, sagt der Sprecher der Uni, Eberhard Scholz.

Verschärfend kommt hinzu, dass die ecco Unternehmenberatung GmbH offiziell als Institut der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg firmiert. ecco nutze die Kooperation mit der Uni „offensiv“ für seine eigenen Marketingzwecke und verschaffe sich auf Kosten der Uni und ihrer Studierenden allerlei Wettbewerbsvorteile. „Die Interessen der Uni Bremen und der Unternehmensberatung müssen klar getrennt werden“, heißt es in dem offenen Brief. Der Uni werfen die Studierenden eine „unkritische“ Haltung gegenüber der ecco vor, Karczmarzyk und Bathmann „moralisch verwerfliche“ Einflussnahme.

Inzwischen haben die beiden ihre Lehraufträge zurückgegeben, sagt ein Unternehmenssprecher, „wegen der Art und Weise“, wie mit dem Fall umgegangen worden sei. ecco fürchtet einen erheblichen Imageschaden, heißt es in einer Stellungnahme des Dekanates. Dass der Brief der Studierender ein offener war, auch an die Presse gelangte, stieß nicht nur bei ecco, sondern auch im zuständigen Dekanat auf Kritik. Denn auch die Uni befürchtet für sich einen „erheblichen Imageschaden“, besteht deshalb fortan auf die „konsequente“ Nutzung der „etablierten Kommunikationswege“ – abseits der Öffentlichkeit. Die Studierenden bedauern nun „ausdrücklich“ ihr Vorgehen. Zugleich räumte die Uni „Fehler“ ein und ecco erklärte, „auf rechtliche Schritte zu verzichten“.

Um den Schaden zu begrenzen, einigten sich Uni und Studierende nun darauf, das entsprechende Seminar „in absehbarer Zeit“ nachzuholen. Außerdem will man zukünftig „im Vorwege eindeutiger klären“, wie eine „erfolgreiche Kooperation“ zwischen Wirtschaft und Uni gestaltet sein müsse. Eines steht für das Dekanat schon fest: „Gewinnbringend“ soll es sein – für die Studierenden.