Zinnbauers neuer HSV

BEFREIUNG Beim 1:1 gegen die Hoffenheimer zeigt der HSV, dass er mehr kann als in der vorigen Saison

Spektakel gab es, wie es der Volkspark lange nicht erlebt hat

Wie viel Optimismus ist derzeit angebracht beim Hamburger SV? Die Führungsriege, von der es derzeit alle paar Tage heißt, sie sei nun aber wirklich komplett, zeigt keine Zweifel, dass alles sich zum Guten wenden wird. Nur müsse man eben Geduld aufbringen, auch insofern herrscht – noch – Konsens. Ex-Kapitän Heiko Westermann lehnte sich nur scheinbar aus dem Fenster, als er letzte Woche der Bild-Zeitung anvertraute: „Ich bin mir ganz sicher, dass es weiter aufwärts geht.“

Da war es gerade vom letzten auf den vorletzten Platz aufwärts gegangen. Abwärts ging also kaum noch, zumal dahinter das desolate Werder Bremen rangiert, das am Samstag in München unterging. Und dennoch hatte Westermann es vermieden, einen Zeithorizont für seine nicht allzu gewagte Prognose anzugeben.

Dabei wäre es Zeit für eine Zwischenbilanz der Arbeit von Trainer Josef Zinnbauer, spätestens seit der neue Sportchef Peter Knäbel angekündigt hat, mit dem von der zweiten Mannschaft zu den Profis beförderten Fußballlehrer Gespräche über ein dauerhaftes Engagement als Cheftrainer aufzunehmen. Mit dieser Bilanz ist es aber, wie so oft, vor allem eine Frage der Perspektive: Man könnte sagen, dass die Mannschaft unter Zinnbauer nur fünf Punkte aus fünf Spielen geholt und dabei magere drei Tore geschossen hat – eine Ausbeute, die nicht reichen dürfte, um ein weiteres Mal den Abstieg zu vermeiden.

Man könnte aber auch sagen, dass der HSV unter Zinnbauer gegen die ersten drei der Liga – Bayern, Gladbach und Hoffenheim – nur einmal knapp verloren und den Vizemeister Borussia Dortmund tiefer in die Krise geschossen hat.

Nach dem Heimspiel gegen die TSG Hoffenheim am Sonntag scheint letztere Sicht die richtigere zu sein. Zinnbauers HSV hat mit jenem Grusel-Fußball, der die Hamburger in der vorigen Saison fast die Ligazugehörigkeit gekostet hätte, nur sehr wenig zu tun. Mit einer spielstarken Mannschaft wie Hoffenheim konnten die Hamburger jederzeit mithalten und erarbeiteten sich deutlich mehr Chancen als der Gegner. Und das sogar, obwohl die Variante mit Kapitän Rafael van der Vaart und seinem designierten Nachfolger Lewis Holtby gemeinsam im offensiven Mittelfeld nicht gut klappte.

Van der Vaart, dem Zinnbauer mehrfach öffentlich den Rücken gestärkt hatte, blieb in der Zentrale eher blass und wurde nach einer Stunde zu Recht ausgewechselt. Holtby, den der HSV nun fest unter Vertrag genommen, wenn auch noch nicht bezahlt hat, hatte auf der linken Seite große Probleme. Er bediente die Hoffenheimer Offensive mehrmals mit Fehlpässen, so auch vor dem brillianten Kontertor von Anthony Modeste zum 0:1 nach einer Viertelstunde.

Danach kamen die Hoffenheimer erst richtig in Spiellaune, aber der HSV hielt tapfer dagegen und glich durch Pierre-Michel Lasogga aus (34.). Nach der Pause spielten die Hamburger Hoffenheim streckenweise an die Wand. Zum Sieg reichte es nicht mehr – auch weil Oliver Baumann im Hoffenheimer Tor stark hielt. Aber Spektakel gab es, wie es der Volkspark lange nicht erlebt hat.  JAN KAHLCKE