DIE VERGANGENHEIT RUFT
: Nur noch Heroin

Was ist uns geblieben – zu kämpfen und zu lieben

Vor ein paar Tagen hatte ich Volker Hauptvogel, den Sänger des Mekanik Destrüktiw Kommandöh und späteren Leiter der Pinguin-Bar, im Club getroffen. Wie das Ex ’n’ Pop war auch die Pinguin-Bar lange Zeit eine Institution des Westberliner Nachtlebens. Volker, der mittlerweile auf die 60 zugeht und ein bisschen aussieht wie Franz Biberkopf in der „Berlin Alexanderplatz“-Verfilmung von Fassbinder, hatte ein paar Plakate im Club aufgehängt, und später hatten wir zusammengesessen und uns über früher unterhalten, und Volker, der früher auch ein großer Drogenfreund gewesen war, hatte von der Haschischknappheit 1971 berichtet und wie diese dazu geführt hatte, dass so viele Leute heroinsüchtig geworden waren, weil es bei den Haschverkäufern plötzlich nur noch Heroin zu kaufen gegeben hatte.

Mich hatte das alles sehr interessiert, weil ich lange in der Hippieforschung tätig gewesen war und diese Geschichte noch nicht kannte, und wir waren wohl darauf gekommen, weil die Hälfte seiner 1983 zunächst entschlafenen MDK-Band an Drogen gestorben war. Später hatte er sich noch genau an den Tag erinnert, als das 1978 gegründete MDK 1981 auf der Titelseite der taz gewesen war.

Nun sind schon wieder ein paar Tage vergangen, und es ist schon fast elf, ich muss mich beeilen, die Vergangenheit ruft, das Ex ’n’ Pop hat Geburtstag. Gleich spielt das MDK. Im Halbdunkel, vor dem Baum, an dem mein Fahrrad steht, steht ein Mann und pisst. Ich warte und gucke missbilligend, aber eigentlich finde ich die Situation eher witzig. Dem pissenden Mann, einem englischen Urlauber glaube ich, ist die Situation ein bisschen peinlich, und als er fertig ist, sagt er „Sorry“, und ich sage „Macht nichts“ und fahre Richtung Potsdamer Straße. Der Auftritt des MDK ist prima, die alte Kreuzberghymne ertönt: „Was ist uns geblieben – zu kämpfen und zu lieben“. DETLEF KUHLBRODT