Ein Hafen an zwei Meeren

Die Hamburger HHLA will den Lübecker Hafen kaufen und sich damit eine Option für den wachsenden Güterschiffsverkehr auf der Ostsee sichern. Bis zu 90 Prozent der Anteile will Lübeck auf den Markt werfen

Die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) würde gern den Lübecker Hafen an der Ostsee kaufen. „Wir sind grundsätzlich sehr interessiert“, bestätigte gestern HHLA-Sprecherin Ina Klotzhuber auf Anfrage der taz. Wie viele Anteile und zu welchem Kaufpreis das größte Hafenumschlagsunternehmen Hamburgs übernehmen wolle, mochte sie nicht verraten: „Das kommt auf die Verhandlungen an.“

Die chronisch defizitäre Hansestadt an der Ostsee hatte gestern den baldigen Beginn der europaweiten Ausschreibung angekündigt. „Wir wollen 90 Prozent der Anteile zum Verkauf bringen“, sagte ein Sprecher des Lübecker Senats. Denn die erforderlichen Investitionen in den boomenden Hafen kann die einstige Königin der Hanse nicht aus eigener Kraft aufbringen. Deshalb werde „ein strategischer Partner gesucht“, hatte der Lübecker Bürgermeister Bernd Saxe (SPD) bereits im Januar angedeutet, und auf „einen dreistelligen Millionenbetrag“ für das Stadtsäckel gehofft.

Lübeck ist der größte deutsche Hafen an der Ostsee und nach Hamburg und Bremen/Bremerhaven der drittgrößte Deutschlands. Allein im vorigen Jahr wuchs der Containerumschlag an der Trave um bemerkenswerte 85,9 Prozent – wenn auch auf vergleichsweise niedrigem Niveau. Der Gesamtumschlag liegt gerade mal bei 5,2 Prozent der Bremer und 2,4 Prozent der Hamburger Mengen.

Dennoch gilt Lübeck speziell für Hamburg als Tor zu Ostsee und damit zu den Wachstumsmärkten in den neuen EU-Staaten im Nordosten und in Russland. Erst vor zwei Wochen hatte ein neues Gutachten im Auftrag des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) vorhergesagt, dass der Verkehr von Güterschiffen aller Art auf dem baltischen Binnenmeer sich allein bis 2010 verdoppeln werde. Dabei ist die Ostsee schon heute das Meeresgebiet mit dem weltweit zweithöchsten Schiffsverkehr – nach der Nordsee.

Das Interesse der HHLA, die bereits einen eigenen Containerterminal im Lübecker Stadtteil Siems betreibt, ist somit verständlich. Zurzeit werden die Container mit Shuttlezügen von der Elbe an die Trave gebracht. Die Bahnstrecke wird derzeit auf drei Gleise ausgebaut und elektrifiziert. Nach Fertigstellung sollen die Güterzüge im Zehn-Minuten-Takt zwischen den beiden Hansestädten rollen.

Zwei Probleme sind allerdings bereits absehbar. Das Logistikunternehmen Rhenus hat ebenfalls sein Interesse am Erwerb des Lübecker Hafens bekundet. Vor allem aber ist noch unklar, was Lübeck überhaupt versilbern kann. Wahrscheinlich können nur Hallen, Kräne und Gebäude verkauft werden, nicht aber der Grund und Boden. Das aber würde den Erlös deutlich senken.

Der Grund dafür ist, dass Lübeck für den früheren Ausbau von Terminals und Verkehrswegen EU-Fördermittel in beträchtlicher Höhe kassiert hatte. Würde die mit öffentlichem Geld hergerichtete Infrastruktur nun verscherbelt, müssten diese Zuschüsse vermutlich zurückgezahlt werden. Denn dass Lübecks Kaufleute Geschenke verhökern, das ginge Brüssel denn doch zu weit. SVEN-MICHAEL VEIT