„Köstlich amüsiert“

Die Rügen der Jugendschützer an der „DSDS“-Jury sind übertrieben, so der Chef der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen, Joachim von Gottberg

JOACHIM VON GOTTBERG, 54, ist seit 1994 Geschäftsführer der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) und arbeitete vorher bei der FSK.

Die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM), eine Einrichtung der für die Kontrolle des Privatfernsehens zuständigen Landesmedienanstalten, hat die RTL-Castingshow „Deutschland sucht den Superstar“ offiziell beanstandet. Vier Ausstrahlungen der Sendung im Nachmittagsprogramm hätten gegen die Jugendschutzbestimmungen verstoßen: Beleidigende Kommentare der Jury sowie die redaktionelle Aufbereitung und Inszenierung der Auftritte einiger Kandidaten seien geeignet, die Entwicklung von Kindern unter zwölf Jahren zu beeinträchtigen. Sanktionen gegen RTL folgen daraus aber nicht.

taz: Herr von Gottberg, haben Sie mit einem so weichen Votum der KJM gerechnet?

Joachim von Gottberg: Nein, in Pressemitteilungen hatte die KJM schließlich großspurig angekündigt, Dieter Bohlen sei eine Identifikationsfigur für Kinder und Jugendliche – und was er bei „DSDS“ veranstalte, sozialethisch desorientierend. Ich finde aber gut, dass die KJM jetzt auf ein vernünftiges Maß zurückgekommen ist.

Wie bewerten Sie persönlich Bohlens „Entgleisungen“?

Dass nicht alles von Herrn Bohlen unter Fragen des Geschmacks und Anstands in Ordnung ist, ist ja klar. Auch ich finde da nicht alles gut, habe mich aber köstlich amüsiert. Die Sendung läuft in der vierten Staffel, es ist jedem – auch den Kandidaten – bekannt, was auf sie zukommt. Dass Dieter Bohlen das Enfant terrible der Branche gibt, ist auch nicht gerade neu – und niemand nimmt das, was er sagt, sonderlich ernst. Ein wirkliches Jugendschutzproblem habe ich darin nie gesehen.

Sie sind als Chef der von den Privatsendern finanzierten FSF ja auch Partei …

Machen Sie mal halblang: Man muss doch unterscheiden zwischen dem großen Hammer des Gesetzes und der Tatsache, dass es jedem unbenommen ist, das Verhalten von Bohlen öffentlich zu kritisieren. Letzteres wäre der richtige Weg gewesen. Wir müssen immer unterscheiden zwischen berechtigter Kritik einerseits und echtem Jugendschutz – dort, wo es wirklich um Desorientierung geht.

Warum sieht die KJM das dann so ganz anders?

Die Situation des Jugendschutzes hat sich in den letzten Jahren wesentlich verbessert – gerade auch beim Privatfernsehen. Wenn man allerdings wie die Landesmedienanstalten oder die KJM dazu da ist, Verstöße zu suchen, wird man immer empfindlicher reagieren – damit man überhaupt noch etwas findet.

„DSDS“ wird zudem vorgeworfen, durch trashige Inszenierungen Bohlens Ätzerei noch zu verschärfen.

Konflikte zu verschärfen macht ja den Reiz an der Sache aus. Es geht immer um vollkommen daneben und erfolgreich – und das wird bei „DSDS“ auf die Spitze getrieben. Man kann das mögen oder nicht. Aber es ist doch weit weg von Fragen des Jugendschutzes.

Medienpolitiker haben gerade erst wieder gefordert, den Jugendschutzaspekt in der neuen EU-Fernsehrichtlinie zu stärken. Ist das also alles purer Populismus?

Nein. Wir haben in Deutschland das – vom Schutzgedanken her – anspruchsvollste Regelwerk in der Welt. Ob es auch das Richtige ist, darüber lässt sich streiten. In Frankreich wäre so etwas beispielsweise undenkbar – da kommt zuerst die Freiheit und dann ganz hinten vielleicht mal der Jugendschutz. Allerdings wird langfristig durch die Globalisierung der Medien und durch Regelungen auf EU-Ebene eine Situation eintreten, wo wir die deutschen Jugendschutzstandards nicht halten können.

INTERVIEW: STEFFEN GRIMBERG