IM URBAN-KRANKENHAUS
: Fiese Geräusche

Mit verstopften Ohren wurde ich in die Röhre geschoben

Neulich war ich in einer Röhre eingeschlossen gewesen, mit einem Alarmknopf in der Hand. MRT, was ich bei der Anmeldung in der Radiologie des Urban-Krankenhauses wie MIT, also wie das Massachusetts Institute of Technology ausgesprochen hatte. Aber es heißt MRT, Magnetresonanztomografie. Eine Viertelstunde nicht im Weltall, aber in einer beklemmenden Röhre, weil irgendetwas mit meiner Schulter nicht stimmt – Schreibkrankheit. Es war aber doch eine schnelle Viertelstunde, und das Ergebnis kommt als CD per Post.

Im Urban sahen viele wie Patienten aus. Der Daueranblick von Patienten macht auch krank, dachte ich. Alle schlurfen siechend und morbide herum. Fahren mit Tropfständern, ihren Dialysen, ihren Kathedern und Blutwäscheflaschen durch die Flure in Richtung Ausgang, um dort endlich eine zu quarzen. „Sie sehen sehr nach Krebs aus“, hatte ich schon meinem Mit-MRTler sagen wollen, noch vor der Röhre. Für ihn schien die MRT Routine zu sein. Er konnte mich beruhigen: alles halb so schlimm. Eine Helferin in Operationsgrün gab Anweisungen. Mir wurden die Ohren verstopft. Dann wurde ich halbnackt in die Röhre geschoben. Ich versuchte, ruhig zu bleiben, und fragte mich, ob Witzbolde Tags an die Röhrendecke geschmiert hatten. Nein, hatten sie nicht. Die elektronischen Geräusche, die von der Maschine kamen, waren sehr laut, sehr finster, sehr straight. Berlin-Techno, circa Jahrtausendwende. Die Fachbegriffe aus dem Frageformular habe ich leider wieder vergessen, sie trafen alle nicht zu. Ich dachte an die verstorbenen Autoren Bolaño und Herrndorf und an das grenzenlose Vertrauen, das sie angesichts des Todes der Medizin stets noch entgegenbrachten. Stimmt, dachte ich auf dem Heimweg, das hatten Menschen geschaffen, schlaue Menschen, diese Maschinenmusik gab es vor 40 Jahren noch nicht.

RENÉ HAMANN