Ärger um Hauptschulklassen

Parteien-Zoff nach Dinges-Dierigs taz-Interview zum Zwei-Säulen-Modell: CDU hält reine Hauptschulklassen weiter für möglich, wenn Schulen dies wollen. Die GAL spricht von einem „Rollback“ in der Debatte

Zu heftigen Reaktionen in der Bildungsszene hat das am Montag in der taz erschienene Interview zur Stadtteilschule mit Bildungssenatorin Alexandra Dinges-Dierig geführt. Die CDU-Politikerin hatte auf die Frage, ob eine ehemalige Haupt- und Realschule nach der für 2009 geplanten Umwandlung zur Stadtteilschule reine Hauptschulklassen einrichten könne, geantwortet: „Wenn sie meint, es ist ihr richtiger Weg, ja.“ Es sei nicht Aufgabe eines Ministeriums, den Schulen zu sagen, wie Lernen vor Ort stattfinden solle.

„Damit fällt die Senatorin, weit hinter das zurück, was die Enquete-Kommission beschlossen hat und was parteiübergreifend Konsens ist“, kritisiert der SPD-Schulpolitiker Wilfried Buss. Die Äußerungen der Senatorin bestätigten Befürchtungen, nach denen eine durchgreifende Veränderung der Hamburger Schulen letztlich an der Behördenchefin scheitern könnte. Buss zur taz: „Die weitere Bildung eigenständiger Hauptschulklassen hat die Enquete-Kommission nicht vorgesehen.“

Eben dies bestreitet nun der CDU-Schulpolitiker Robert Heinemann, und wirft Buss vor, „nachträglich neue Beschlüsse der Enquete-Kommission zu erfinden“. Diese habe die Ausgestaltung der Schülerdifferenzierung „ausdrücklich den Schulen überlassen“. Wörtlich heißt es aber im Bericht der Kommission: „Formen der dauerhaften äußeren Differenzierung sollen zu Gunsten innerer Differenzierung und Individualisierung zurücktreten. Maßgebliches Ziel ist die individuelle Förderung eines jeden Kindes.“ Mit „äußerer Differenzierung“ ist gemeinhin die Bildung von Haupt-, Realschul- und Gymnasialklassen gemeint, mit „innerer Differenzierung“ die Aufteilung nur für einzelne Fächer und Kurse, wie an Gesamtschulen üblich. Bei „Individualisierung“ verzichtet man ganz auf Kurse und gibt den Schüler einer Klasse ihrem Lernstand entsprechende Aufgaben.

Die gewählte Formulierung erlaube für Schulen „Flexibilität für den Übergang“, räumt die SPD-Schulpolitikerin Britta Ernst ein. Es sei aber Konsens in der Kommission und einhellige Meinung der gehörten Wissenschaftler gewesen, dass „reine Hauptschulmilieus abgelöst werden müssen, weil sie nicht funktionieren“. Ernst: „Einen toten Gaul soll man nicht länger reiten. Dinges-Dierig sollte sich für den Ausbau integrierter Formen stark machen und nicht sagen, wir überlassen es den Schulen.“ Dies sei in der jetzigen Lage ein „fatales Signal“.

Die GAL-Fraktionschefin Christa Goetsch spricht gar von einem „Rollback“, mit dem Bildungssenatorin Dinges-Dierig wohlmöglich schon mit Rücksicht auf die Wahl die Debatte konterkariere. „In einer reinen Hauptschulklasse gibt es kein anregungsreiches Lernmilieu“, sagt die Lehrerin: „Ich würde es nicht verantworten können, weiter solche isolierten Klassen einzurichten.“ KAIJA KUTTER