Strategiewechsel von rechts

Nach ihrem Wahlerfolg im vergangenen Jahr sei die rechte Szene im Aufwind, berichten Innenminister und Verfassungsschutzchef in Schwerin. Besonders die NPD spiele sich als Anwalt des „kleinen Mannes“ auf

Vor allem die NPD versuche, gewalttätiges Auftreten zu vermeiden, sagen Verfassungsschutzchef und Innenminister

Die rechte Szene in Mecklenburg-Vorpommern gewinnt zwar kaum neue Mitglieder. Auf konstante „1.200 Personen“ schätzt sie Innenminister Lorenz Caffier (CDU). Entwarnung wollte er gestern aber nicht geben. Insbesondere „den Strategiewandel hin zu allgemeinen und sozialpolitischen Themen“ betrachte er „mit Sorge“, sagte der Minister bei der Vorstellung des „Verfassungsschutzberichtes 2006“ im Schweriner Schloss.

Diesem Strategiewandel dürfte auch der geringe Anstieg politisch motivierter Straftaten von rechts geschuldet sein, meinen Caffier und Verfassungsschutzchef Jürgen Lamprecht. Im Jahr 2006 erfassten die Behörden 326 Straftaten – 2005 waren es 310. Vor allem die NPD, die mittlerweile durch szeneinternen Zulauf auf etwa 300 Mitglieder anwuchs, versuche gewalttätiges Auftreten zu vermeiden. Nach ihrem Wahlerfolg im September vergangenen Jahres waren sechs Abgeordnete der Partei ins Parlament eingezogen. Seitdem befinde sich die Szene „im Aufwind“, meint Verfassungsschutzchef Lamprecht.

Die NPD-Funktionäre versuchten, in die Rolle der Vertreter des ,kleinen Mannes‘ zu schlüpfen“, berichtet Caffier. Rein in die örtlichen Vereine, rein ins alltäglichen Gemeindeleben, das sei das Erfolgsrezept des parlamentarischen Geschäftsführers der NPD-Fraktion, Stefan Köster.

Sein Runderlass, mit die Rechte von Ämter und Kandidaturen auszuschließen, sei erfolgreich gewesen, erklärte der Minister. Initiativen wie das „Mobile Beratungsteam für demokratische Kultur“ befürchten allerdings, das Rechte den Erlass nutzen, um sich als Märtyrer zu inszenieren.

Den statistisch minimalen Anstieg von rechten Straftaten 1,2 Prozent bewertet nicht nur Ohse vorsichtig. Gerade die subkulturelle rechtsextremistische Szene, wie sie in Wismar existiere, sei sehr gewaltbereitet. Auch gegenwärtig griffen Rechte in Wismar „wieder verstärkt Jugendliche an“, berichtet Thorsten Schäfer vom örtlichen „Netzwerk für Demokratie, Menschlichkeit und Toleranz“. Die Betroffenen kann er aber bisher kaum bewegen, zur Polizei zu gehen.

Für die Landeshauptstadt Schwerin räumt Verfassungsschutz-Chef Lamprecht die durch Nicht-Anzeigen entstehenden Verzerrungen ein. Dass Polizeibeamte rechts motivierte Taten nicht von sich aus als solche einstufen, bestreitet er und verweist auf die gestiegene Zahl der linken Straftaten. Innenminister Caffier gab allerdings zu Bedenken, dass 2006 noch das Antifa-Zeichen „Durchgestrichenes Hakenkreuz“ verfolgt worden sei.

Die nächste Begegnung mit dem Neonazis erwartet Caffier für den 2. Juni. Dann wollen über 1.500 von ihnen in Schwerin gegen den G8-Gipfel protestieren. ANDREAS SPEIT