: Dient „offenkundig“ zur Bekämpfung
Bundesgerichtshof lässt Anti-Nazi-Symbole mit Verweis auf die Meinungsfreiheit zu. Freispruch für Versandhändler
KARLSRUHE taz ■ Ein voller Erfolg für die Antifa. Das durchgestrichene Hakenkreuz ist nicht strafbar. Das hat gestern der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Grundsatzurteil endgültig entschieden. Der Versandhändler Jürgen Kamm aus Winnenden (Baden-Württemberg) wurde freigesprochen. Das Urteil des Landgerichts Stuttgart, das ihm 3.600 Euro Geldstrafe aufgebrummt hatte, wurde in vollem Umfang aufgehoben. Die beschlagnahmten T-Shirts, Sticker und Kataloge müssen zurückgegeben werden. Rechtsmittel gegen den Richterspruch sind nicht möglich. Die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse.
Damit besteht endlich Rechtssicherheit. Die Verwendung von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen ist immer dann zulässig, „wenn bereits der Inhalt der Darstellung in offenkundiger und eindeutiger Weise die Gegnerschaft zu der Organisation und die Bekämpfung ihrer Ideologie zum Ausdruck bringt“, erklärte gestern Richter Walter Winkler, der Vorsitzende des 3. BGH-Strafsenats.
Winkler begründete die Einschränkung des gesetzlichen Tatbestands mit dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit. „Es wäre verfassungsrechtlich bedenklich, Bürger zu bestrafen, die gegen den Nazionalsozialismus demonstrieren wollen, und dabei NS-Kennzeichen herabsetzen.“
Erlaubt ist künftig nicht nur das im Stil eines Parkverbotschilds durchgestriche Hakenkreuz, sondern auch andere in der Antifa-Szene gebräuchliche Darstellungen, also zum Beispiel das zertretene und das Hakenkreuz im Papierkorb.
Nur ein Plattencover der Punkband Schleimkeim wurde als „uneindeutig“ beanstandet, weil hier ein unverändertes Hakenkreuz zu sehen war. Doch auch hierfür wurde Kamm freigesprochen. Da es ihm wohl „durchgerutscht“ sei, könne dem Versandhändler kein Tatvorsatz nachgewiesen werden, sagte Richter Winkler.
Jürgen Kamm zeigte sich gestern nicht nur erleichtert, sondern auch wütend. Gemeinsam mit seinem Bruder reichte er gestern noch eine Strafanzeige wegen „Verfolgung Unschuldiger“ gegen die Stuttgarter Staatsanwälte ein, Justizminister Ulrich Goll (FDP) wird der Beihilfe beschuldigt. Die baden-württembergische Justiz sei das „eigentliche Problem“, sagte Kamm. Die Anzeige wird aber von den Behörden kaum weiterverfolgt werden, weil sich die Staatsanwaltschaft auf den Wortlaut des Gesetzes stützen konnte (Az.: 3 StR 486/06).
CHRISTIAN RATH