Regierung will Familien trennen

Nach Kompromiss beim Bleiberecht stoßen auch Pläne zum Familiennachzug auf Kritik

BERLIN taz ■ In einer gemeinsamen Stellungnahme haben Menschenrechtsorganisationen und Wohlfahrtsverbände die Ausländerpolitik der großen Koalition als „flüchtlingsfeindlich, rückwärtsgewandt und integrationshemmend“ kritisiert. Deutschland ziele darauf ab, „sich effizient abzuschotten“, erklärte Günter Burkhardt von Pro Asyl.

Neben dem Kompromiss beim Bleiberecht für Geduldete stößt auch die geplante Regelung, den Ehegattennachzug zu erschweren, auf breite Kritik. Die Regierung will den Nachzug der Ehegatten von Migranten durch ein Mindestalter von 18 Jahren beschränken. Das sei ein wichtiges Instrument gegen die Zwangsheirat, freute sich die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU). Für die Kritiker aber ist dieses Vorhaben ein Eingriff in das Grundrecht, das Ehe und Familie unter den Schutz der staatlichen Ordnung stellt. „Der demokratische Rechtsstaat zeichnet sich dadurch aus, dass Missstände auf rechtsstaatlichem Weg behoben werden und nicht durch Eingriffe in das Grundrecht“, erklärte Safter Cinar vom Türkischen Bund in Berlin-Brandenburg. „Es ist mittlerweile unerträglich, dass Frau Böhmer nur noch Regierungsbeschlüsse lobt und sich nicht für die Belange von Migranten einsetzt“, kritisierte Cinar.

Für Elke Tießler-Marenda vom Deutschen Caritasverband sind die Pläne zum Familiennachzug „mit großer Wahrscheinlichkeit verfassungswidrig“. So sollen alle ausländischen Ehepartner von Migranten und Deutschen künftig vor der Einreise einfache Deutschkenntnisse nachweisen. Weil das aber in vielen Regionen gar nicht möglich sei, drohe die dauerhafte Trennung der Ehepartner.

Nach jahrelangem Tauziehen hatte die große Koalition die letzten Streitpunkte im Bleiberecht in der Nacht zum Dienstag ausgeräumt. Vom 1. Juli an sollen geduldete Ausländer, die mindestens acht Jahre – sechs als Familie – in Deutschland leben, eine Aufenthaltserlaubnis „auf Probe“ bekommen. Wer dann bis zum 31. Dezember 2009 eine Arbeit findet, erhält einen Aufenthaltstitel. Wer keinen Job vorweisen kann, fällt wieder zurück in den Zustand der Duldung.

Außerdem soll es den Bundesländern freistehen, den Geduldeten Sachleistungen wie Lebensmittel und Kleidung oder finanzielle Leistungen zu gewähren und sie weiterhin in Gemeinschaftsunterkünften unterzubringen. CIGDEM AKYOL