LESERINNENBRIEFE
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Schreckliche Karrierehindernisse

■ betr.: „Ein Akt der Selbstbestimmung“, taz vom 17. 10. 14

Na also, das hätte mich gewundert, wenn die taz nicht inmitten von allerlei Ablehnendem und Kritischem auch ganz begrüßende Worte zum „social freezing“ gefunden hätte. Die taz immer vorne dran mit Begeisterung, wenn sich der Kapitalismus wieder was besonders Menschenfeindliches hat einfallen lassen! Und so heißt es auch jetzt: „Grundsätzlich aber ist dieses Angebot ein Akt der Selbstbestimmung, den es zu begrüßen gilt.“ Genau. Zwar kann ein „Angebot“ rein sprachlich niemals ein „Akt“ sein, aber das macht nichts. Das Einfrieren von Eizellen hat noch ein Gutes. Nämlich, die „Tatsache, dass der richtige Mann fehlt“, kann so auch ganz einfach bedeutungslos werden – man kann sich doch eine gute Samenspende aussuchen, bei der dann ein schlauer und karrierewilliger Nachwuchs rauskommt.

Blöd ist halt bloß, dass dann immer noch nicht alles planbar ist: Diese unberechenbaren Kinder (ich hab selbst vier) können krank werden, Unfälle haben, sie können ganz lernunwillig sein, den Drogen oder – noch viel schlimmer – dem Nichtstun verfallen. Kinder sind nichts anderes als schreckliche Karrierehindernisse.Wie auch Beziehungen, insbesondere Liebesbeziehungen, Freundschaften, verantwortliche Verwandtschaftsbeziehungen, wie auch Krankheiten, von denen man unplanmäßig befallen wird, wie auch übermäßige Freude … wie eigentlich dieses ganze Scheißleben überhaupt nichts anderes ist als ein Karrierehindernis. CORNELIA KELLERER, Boos

Wem gehören die Eier?

■ betr.: „Gelebter Kapitalismus“, taz vom 17. 10. 14

Ich finde die Idee mit den eingefrorenen Eiern auch völlig irre und abwegig, aber ein paar Zusatzinformationen fände ich noch interessant: Wenn die Firma der Mitarbeiterin diese Möglichkeit anbietet, dann gehören dazu doch bestimmt vertraglich festgehaltene Bedingungen. Was für Bedingungen sind das? Wird das allen Mitarbeiterinnen angeboten oder nur Führungskräften? Muss die Mitarbeiterin sich verpflichten, mehrere Jahre in der Firma zu bleiben? Was passiert, wenn die Mitarbeiterin trotzdem schwanger wird? Was geschieht mit den Eiern, wenn die Frau später doch keine Kinder möchte? Wem gehören die Eier? Alles was mir da einfällt, macht die Angelegenheit nur noch schlimmer. MANFRED STENGEL, Hamburg

Großmächte entscheiden

■ betr.: „Was bedeutet Pazifismus?“, taz vom 17. 10. 14

Das Völkerrecht ist in Form der UN-Charta allgemein anerkannt. Trotzdem werden immer die Interessen der globalen Großmächte darüber entscheiden, ob es möglich ist, bei regionalen Konflikten Frieden zu stiften. Starke Institute für Konflikt- und Friedensforschung mit Zugriff auf Informationen der Nachrichtendienste, mit ausreichender Analysekapazität und der Möglichkeit unzensierter Öffentlichkeitsarbeit sollten deshalb auf die Mächtigen den öffentlichen Druck erzeugen können, mit geeigneten Maßnahmen Gewaltausbrüchen vorzubeugen. Auf UN-Ebene erscheint ein solches Institut wünschenswert, aber schwer realisierbar. Der Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik könnte von einem Institut auf EU-Ebene Hilfe erwarten. Aber wollen das die europäischen Politiker? Sie sind wohl nicht immer und überall am Frieden interessiert, trotz gegenteiliger Aussagen. DIETRICH JAHN, Hannover

UNO-Polizei holen

■ betr.: „Was bedeutet Pazifismus?“, taz vom 17. 10. 14

Der Beitrag von Albrecht v. Lucke geht 100 Prozent in die richtige Richtung: In der Philosophie kommen nach Kant der große Denker Hegel und die Dialektik im Zusammenhang mit der Naturwissenschaft in die Geschichte. Plötzlich steht die Frage nach dem Pazifismus klar auf dem Schirm. Es bedeutet heute, dass der Konflikt auf höherer Ebene in der global vernetzten Welt gelöst werden muss. Erst heute ist es möglich, die Meinung und die Kraft der gesamten Menschengemeinschaft in solchen Konflikten zeitnah wirken zu lassen, zum Beispiel durch das Internet. Dann können die Lebenswünsche von allen Frauen und Männern – auch eine dialektische Kraft – das Konfliktfeld im Sinne der UN lösen, das heißt die Erhaltung der Weltgemeinschaft und nicht unsere Selbstzerstörung. Pazifismus heißt dann: UNO-Polizei holen! JOHANNES SPARK, Bremen

Tatsachen verdreht

■ betr.: „Die Bahn steht, der Fernbus rollt“, taz vom 20. 10. 14

Nicht erst seit dem Streik der GdL fallen Züge aus. Das gehört zum Normalprogramm der Bahn, genauso wie regelmäßige Verspätungen und mieser Service. Dies jetzt der Gewerkschaft anzulasten ist eine Verdrehung der Tatsachen. Das einst von Steuergeldern aufgebaute Schienennetz wird von der DB seit der Privatisierung 1994 systematisch vernachlässigt und auf Verschleiß gefahren. Investiert wird nicht in die Erhaltung der Infrastruktur, sondern im Ausland. „Allmachtsfantasien“ hat nicht Herr Weselsky, sondern die DB, die zum global player mutiert. Das Zugangebot wird immer mehr ausgedünnt, Bahnhöfe geschlossen, am Personal wird gespart. Trotzdem steigen die Ticketpreise jedes Jahr kräftig. Der Skandal aber ist, dass die Volks„vertreter“ dabei zuschauen. Umweltschutz durch Lenkung der Verkehrsströme und mehr Verkehr auf die Schiene? Fehlanzeige! Immer mehr – noch – billige Fernbusse vergrößern die Staus und treiben das CO2 weiter in die Höhe. Profit steht über Lebensqualität und Daseinsfürsorge. SUSANNE GLAUBITZ, Freiburg