Der justiziable Übeltäter

Alberto Gonzales, 51, US-Justizminister und treuer Gefolgsmann von Bush aus texanischen Tagen, muss nach der wohl politisch motivierten Entlassung von acht Staatsanwälten heftig taktieren FOTO: AP

Alberto Gonzales beherrscht den Washington-Speak perfekt. „Ja, es wurden Fehler gemacht“, erklärte er unter dem Feuer seiner Kritiker am Dienstag im US-Kongress. Damit bediente er sich so ziemlich des inhaltsleersten Satzes, den die US-Hauptstadt in Fällen öffentlichen Unmuts anbietet. Dennoch ist er recht neu in einer Zeit, in der die Bush-Regierung es um jeden Preis vermeidet, Fehler zuzugeben. Und Gonzales verkörpert diese Regierung und ihre Ideologie so gut wie Exverteidigungsminister Donald Rumsfeld oder Vizepräsident Dick Cheney. Sie alle sind mit George Bush angetreten, die US-Regierung nach ihrem Willen zu verändern.

Zugleich ist Gonzales ein gutes Beispiel für die erfolgreiche Integration von Migranten in die US-Gesellschaft. 1955 in San Antonio geboren, wuchs er im texanischen Houston auf. Er stammt aus einer ärmlichen mexikanischen Familie, die es unter großen Entbehrungen bis in die USA schaffte. Sein Vater war Buchhalter und legte größten Wert darauf, dass Alberto es durch Bildung einmal besser haben sollte. Fleiß, Ordnung, Pflichterfüllung, das lernte Gonzales früh, sind die Zutaten zum Erfolg. Er besuchte die Rice University und die Harvard-Rechtsschule. Er diente zwei Jahre in der Air Force. Denn er empfindet gegenüber den USA „tiefe Dankbarkeit“, wie er einst bei einer feierlichen Staatsbürgerschaftsverleihung vor 40 Migranten erklärte.

Vielleicht deshalb ist er, wie seine Kollegen im Weißen Haus, wild entschlossen, die Regierung vor den Zumutungen der Demokratie zu schützen. Bush kennt er, seit er in Houston als Anwalt und später als Mitglied des Obersten Gerichtshofs von Texas tätig war. Bush nahm ihn und zahlreiche andere Vertraute aus texanischen Zeiten mit nach Washington, wo Gonzales zunächst sein Berater wurde. Im Februar 2005 schwor ihn der Senat dann als US-Justizminister ein. Damit gelangte Gonzales ins höchste Amt, dass ein Latino in der US-Hierarchie bisher erreichte.

Gonzales war Bush von Anfang an ein wertvoller Erfüllungsgehilfe in Sachen Rechtsauslegung. Obwohl er im Vergleich zu seinem Vorgänger John Ashcroft, einem absoluten Hardliner, vielen noch als moderat erscheint, erklärte Gonzales in seiner Minister-Anhörung die Genfer Konvention und deren Auffassung zum Umgang mit Kriegsgefangenen als „obsolet“ und „überholt“. Guantánamo und die dazugehörigen Antiterrorgesetze finden seine volle Unterstützung als Oberster Rechtsanwalt des Landes. Kein Wunder, dass die Demokraten nun jede sich bietende Angriffsfläche nutzen wollen, um Gonzales zurück nach Texas zu schicken.

ADRIENNE WOLTERSDORF

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