Kein Lied für Europa

Der Grand-Prix-Siegertitel „Molitva“ der Serbin Marija Serifovic ist hierzuland nicht erhältlich – kein Label will ihn

Irgendwas muss da schiefgelaufen sein: Das serbische Label, das die Rechte des Songs „Molitva“ innehat, konnte diese nicht an einen der reichen Musikkonzerne verkaufen. Emi, Warner, Universal: Marija Šerifović, Siegerin beim Eurovision Song Contest am 12. Mai in Helsinki, mag auf dem Balkan noch so sehr eine Heldin sein – in Deutschland würde sie wie Blei in den Regalen liegen. Media-Markt, Karstadt, Saturn: Kein Discounter von Unterhaltungsmusik hat ihren Titel vorrätig, auch Amazon führt ihn nicht – obwohl sie aus dem hiesigen Televoting die dritthöchste Zahl von Stimmen erhielt und dies doch eine gewisse Marktreife signalisiert haben könnte. Weit gefehlt: Major Companies wie Universal ist an einem europäischen Markt nicht gelegen, am Risikobewusstsein, Ware aus verhältnismäßig armen Ländern zu kaufen, mangelt es ohnehin notorisch.

Insofern wundert es nicht, dass Šerifović, 22, in ihrer Heimat zur Galionsfigur des neoserbischen Europäertums avanciert, in Belgrad am 13. Mai von 50.000 Menschen empfangen, bejubelt beim Autokorso, nicht einmal würdig war, beim jüngsten Deutschlandbesuch von der Redaktion der ARD-Plauderrunde „Beckmann“ abgegriffen worden zu sein: Eurovision? Šerifović? Keine Quotenknallerin!

Lasse Henningsen, Produktmanager bei der dänischen Firma CMC und verantwortlich für die Song-Contest-Sampler, sagte nüchtern: „Ihre Plattenfirma in Belgrad war für unser Geschäft zu langsam. Die haben sich erst sehr spät darum bemüht, ihre Lizenz an dem Lied zu verkaufen. Aber dann war es für die Major Companies nicht mehr interessant.“ Nichts in der Unterhaltungsmusikindustrie scheint so flüchtig wie der Triumph von eben gestern. Blöde auch für die Serbin, dass sie zum Contest nicht wenigstens ein Album in petto hatte, das für die Nische der Weltmusikfreunde hätte attraktiv sein können, ästhetisch angesiedelt in etwa zwischen dem Sound der Buddha-Reihe und Bravo-Hits für Antiglobalisierer, versetzt mit ein wenig Folklore, die die Drittweltfreunde für authentisch halten. Im NDR-Chat, den Marija Šerifović vorgestern bestritt, antwortete sie auf die Frage, wie es ihr ginge: „Es ist alles noch unbegreiflich.“ Dass Europa kulturell noch so separatistisch funktioniert, meinte sie vielleicht auch. JAF