Mieter im Lärm

SANIERUNG Normalerweise steht ein Haus leer, wenn es zum Passivhaus umgebaut wird. Die Bewohner eines 50er-Jahre-Baus in Hamburg-Wandsbek bleiben drin. Das sei sozialverträglicher, sagt der Architekt. Doch nicht jeder freut sich darüber

VON VIVIANE PETRESCU

In wenigen Monaten soll aus dem 50er-Jahre-Bau in der Marienthalerstraße 92 im Hamburger Stadtteil Wandsbek ein Passivhaus werden. Der grüngraue Putz lässt die Häuser fast nackt wirken, aber das Baugerüst bedeckt die abgeschliffenen Wände. Im Vorgarten stehen Bauwagen und ein monoton dröhnendes Geräusch tönt vom Gerüst. Das Treppenhaus durchzieht ein staubiger Geruch, wie er auf alten Kisten liegt, die zulange im Keller standen. Momentan wird die Bestandsfarbe abgeschliffen, damit eine Dichtschlämme aufgetragen werden kann.

Am Schluss der Pustetest

Das ist aufwendig, aber unumgänglich, damit das Haus winddicht wird. Denn sind alle Umbauarbeiten abgeschlossen, muss die Dichtung erst den „Blower Door Test“ bestehen, um die Veredelung „Passivhaus“ zu erhalten. Dabei wird der Differenzdruck gemessen, um zu prüfen, ob das Haus richtig abgedichtet ist. „Das geht aber nur, wenn die Förderer zahlen“, meint Jan Günther, 36, der Architekt bei der Arbeitsgemeinschaft Energetische Sanierung. In diesem Fall sind das die Kreditanstalt für Wiederaufbau und die Wohnungsbau-Kreditanstalt Hamburg. Während er mit baulichen Fachbegriffen um sich wirft, kommt ein Anwohner strengen Schritts auf ihn zu und beschwert sich über den Baulärm. Er habe Urlaub und werde jeden Morgen vor acht aus dem Bett geschmissen.

„Anders kann man eben nicht bauen“, meint Günther. Dabei geht diese Baustelle den anderen Weg: Das Mehrfamilienhaus wird zum Passivhaus umgebaut, während die BewohnerInnen weiter ihre Wohnungen nutzen. Was es so in Hamburg bisher noch nicht gegeben hat. „Das ist sozial verträglicher“, erläutert der Architekt dieses Novum. Denn hätte man das Haus erst leer geräumt und dann neu vermietet, wären wohl viele MieterInnen nicht in ihre Wohnung zurückgekehrt.

Eine Umrüstung zum Passivhaus erlaubt dem Vermieter nämlich eine Mieterhöhung. „Die Erhöhung gleicht sich aber fast vollständig durch die Heizkostenersparnis aus“, so Günther. In diesem Falle liegt sie unter dem gesetzlich erlaubten Betrag, dafür muss bei den Bauarbeiten gespart werden. Außerdem hätten sich die Eigentümer auch für finanziell Schwächere eingesetzt und einer Rentnerin, die die erhöhte Miete nicht mehr hätte aufbringen können, 60 Euro Nachlass gewährt.

Nach den Umbauarbeiten zahlen alle Mietenden 525 Euro kalt, erhalten ein neues Bad und einen Balkon. Während der Bauphase erhalten sie 20 Prozent Mietminderung. Die Neuberechnung der Miete bedeutet in erster Linie eine Angleichung. Da das Mehrfamilienhaus schon seit einigen Jahrzehnten bewohnt wird, sind die Zustände der Wohnungen unterschiedlich. Danach berechnete sich bisher die Miete und kam auf unterschiedliche Ergebnisse.

Der Bewohner Resa Ibrahimi, 51, fühlt sich abgezockt. Er habe vorher nur knapp über 300 Euro Kaltmiete gezahlt. Auch die Gaskosten seien bei ihm nicht höher als die zukünftigen Betriebskosten gewesen. Er kritisiert das Vorhaben: „In meiner Wohnung fühle ich mich wie auf einer Baustelle.“ In seinem neuen Bad steht bereits die Dusche, aber die Glastür lässt auf sich warten. An der Wand über dem Waschbecken hängt eine nackte Glühbirne an einem weißen Kabel herunter, ihr Licht spiegelt sich in der Pfütze auf dem Badezimmerboden. „Ich glaube, keiner wohnt hier freiwillig“, sagt Ibrahimi. Ihn interessiert nicht, dass mit dem Umbau zum Passivhaus eine hohe Energieersparnis einhergeht.

Doch nicht jeder Mieter sieht die Lage so kritisch. „Klar, der Lärm stört alle, aber viele unterstützen das energiesparende Vorhaben“, meint Architekt Günther. Es sei notwendig, dass alle Beteiligten Kompromisse eingehen. Nur so könnte der Umbau möglichst kostengering bis Ende August abgeschlossen werden.