ABI, FUSSBALL, ATTENTAT
: Zahlen

Der lustige Akzent machte alles noch schlimmer

Zu dem Abijubiläumstreffen war ich nicht gefahren, doch meine Mailadresse war in dem Verteiler mit drin. Manchmal bekam ich Nachrichten von einer Mitschülerin, die als Astrologin und Coach in der Schweiz arbeitet. Sie grüßte und wünschte allen alles Gute. Zuletzt schrieb sie von „heftigen Planetenkonstellationen“ und „sich immer mehr verdichtenden Informationen“ bezüglich eines möglichen Anschlag mit nuklearen Sprengkörpern auf das Olympiastadion am 26. 6. Interessant sei zudem, dass am 19. 6. die ARD einen „Tatort“ ausstrahlt, in dem eine WM-Fußballerin zu Tode kommt.

Um die Anschlagstheorie zu untermauern, hatte sie mehrere Links geschickt, die zu durchgeknallten Verschwörungsvideos führten. In einem erklärte ein Mann zunächst, dass die Zahl 666, „the number of the beast“, in dem Datum verborgen wäre, interpretierte dann ausführlich einen Fernsehbericht über die deutsche Frauenfußballnationalmannschaft, in dem auffällig oft irgendwelche freimaurertechnisch bedeutsamen Trikotnummern zu sehen gewesen wären. Offensichtlich steckt das Fernsehen mit drin in der Verschwörung. Ein von einem Mayanachfahren gemaltes Bild, das im Flughafen von Denver hängt und im Umriss an ein Hakenkreuz erinnert, bedeutete auch nichts Gutes.

In einem anderen Video erklärte der Mann, dass es sich bei dem Obama, den wir zu kennen meinen, um einen ganz anderen handeln müsse. Vieles deute jedenfalls auf eine Gesichtstransplantation hin. Er hätte ein paar Jahre im medizinischen Bereich gearbeitet und könne das beurteilen. Ich gruselte mich vor der Wahnhaftigkeit seines Denkens und vor den vielen Kommentaren, die das ernst nahmen. Sein lustiger norddeutscher Akzent, mit dem er sich auch an „normale Leute“ wandte, „die keinen Einblick in dies Metier haben“, machte alles noch schlimmer.

DETLEF KUHLBRODT