heute in bremen
: „Ein echtes Paralleluniversum“

Über Mediensucht und Jugendliche beraten Experten im Lidice-Haus

taz: Herr Gerstmann, ab wann bin ich mediensüchtig?

Markus Gerstmann (Medienpädagoge): Ein Anzeichen für Sucht ist, wenn sich der Nutzer aus dem wirklichen Leben ausklinkt. Also vielleicht noch auf eine Party geht, aber dort ständig denkt: Warum sitze ich nicht am Computer.

Wo ist die Suchtgefahr am größten?

Schon beim Chatten oder Spielen im Internet. Ein normales Computerspiel hat man schnell durch. Aber bei Sachen wie „World of Warcraft“, da legt man eine Persönlichkeit an, bildet mit anderen Teams – das ist ein echtes Paralleluniversum.

Die Kosten dürften sich aufs reale Leben auswirken…

Nein, das ist ja eine feste Größe. Mit Flatrate und Abo kommt man auf etwa 50 Euro im Monat, egal wie lange man spielt. Das macht es aber gefährlicher: Die Angst vor finanziellen Folgen fehlt.

Welche Präventionsmöglichkeiten gibt es?

Das wichtigste ist, dass die Erwachsenen den Jugendlichen Alternativen aufzeigen.

Hm. Schwierig.

Ja, zumal das exzessive Spielen zeitgleich mit der Pubertät auftritt. Es geht darum, Interesse zu zeigen und als kompetenter Gesprächspartner aufzutreten.

Dafür müsste man mitreden können…

Die Eltern sollten sich von ihren Kindern auch zeigen lassen, wie das funktioniert, was sie spielen. Das ist ja auch für die Kinder toll: So viele Gelegenheiten, Erwachsenen etwas zu erklären, gibt es ja nicht.

Reicht das? Ganz ohne externe Beschränkung?

So wie bei Laster-Fahrern, die nur vier Stunden am Steuer sitzen dürfen? Diskutiert wird das. Aber das ist keine Lösung. Dann beschaffen sich die Jugendlichen halt drei Accounts. Nein, die gesellschaftliche Frage ist vorrangig: Wie viel Zeit verbringen wir miteinander, wie sprechen wir miteinander. FRAGEN: BES

Markus Gerstmann referiert um 9.45 Uhr bei der Fachtagung „Rund um’s Netz“, Lidice-Haus, 9-17 Uhr. Nur wenige Restplätze