Büffeln gegen blaue Briefe

Von Roland Koch lernen heißt versetzt werden: Mit einem aus Hessen abgekupferten Modell wollen die Grünen in der Region Hannover lernschwache Haupt- und Förderschüler motivieren

VON KAI SCHÖNEBERG

Nein, Hessens Ministerpräsident ist wahrlich keine Lieblingsfigur der Grünen. Auch nicht seine Bildungspolitik. Und doch haben die Grünen in der Region Hannover eine Idee aus dem Land von Roland Koch (CDU) abgekupfert: Um den „blauen Brief zur Chance“ zu machen, sollen versetzungsgefährdete Haupt- und Förderschüler der 8. Klassen in den Osterferien in „Camps“ Nachhilfe erhalten.

„Angesichts der massiven Probleme, die durch mehr und mehr Jugendliche ohne Hauptschulabschluss entstehen“, hält der grüne Jugendpolitiker Raoul Schmidt-Lamontain den Plan für ein „sinnvolles Präventionsprojekt“. Ähnliche Hilfen für Versetzungsgefährdete gibt es auch in Bremen, aber die Regions-Grünen plädieren für eine genaue Kopie des hessischen Modells, das von der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung entwickelt wurde.

In drei Schullandheimen in Frankfurt, Wiesbaden und Kassel hat die hessische Landesregierung das Projekt „Ocamp“ in den vergangenen Osterferien erstmals mit 150 lernschwachen Jugendlichen ausprobiert. An weiteren 30 Schulen büffelten weitere 650 dezentral gegen Fünfen und Sechsen. „Die ersten Ergebnisse sind durchweg positiv, viele Kinder sind motivierter“, sagt Robert Roth aus dem CDU-geführten hessischen Kultusministerium.

Die Evaluation des eine halbe Million Euro teuren Versuchs laufe noch, Endgültiges könne er erst bei der Ausgabe der Zeugnisse sagen. Aber: Das erste Feedback von Schülern, Eltern und Lehrern sei ermutigend, sagt Roth. „Eine Mutter sagte sogar, ihr Junge habe direkt nach dem Camp in Chemie eine Eins bekommen – dabei haben wir das gar nicht unterrichtet.“

Die Hessen konzentrierten sich in ihren Förderstunden an den zwölf Camp-Tagen auf Deutsch oder Englisch. Aber das ist nicht alles: Kleine Lerngruppen statt Massenunterricht. Statt Frontalunterricht ab morgens acht Uhr geben die für das Projekt abgestellten Pädagogen und Lehramtsstudenten auch mal Stunden um 20 Uhr abends. Zudem „üben Sozialpädagogen mit den Kindern auch eine sinnvolle Freizeitgestaltung“, sagt Roth. Auch Kanu-Fahren, Hochseil-Balancieren oder Fußball sollen fit für die neunte Klasse machen.

Die Regionsgrünen wollen schon in den Osterferien 2008 mit dem Förderprogramm für 150 Schüler loslegen. „Bei geschätzt bis zu 1.000 blauen Briefen in den genannten Schulformen und in der achten Klasse“ sei das „keine unrealistische Größenordnung“, sagt der Schulpolitiker Heinz Strassmann. Kosten: bis zu 90.000 Euro. Wie in Hessen soll neben dem Lernen auch die Förderung sozialer Kompetenzen eine wichtige Rolle spielen. Bereits im nächsten Jugendhilfeausschuss Ende Juni soll der Koalitionspartner SPD das Projekt abnicken, hoffen die Grünen. Ort des Camps soll das regionseigene Schullandheim im Harz sein.

„Wir bieten den Jugendlichen eine verbesserte Chance, die Versetzung in die neunte Klasse zu erreichen und erwarten dafür die Bereitschaft, für 14 Tage in einer Gemeinschaft zu leben und dafür zu investieren“, sagt Schmidt-Lamontain – und das klingt nicht nur wie Fördern und Fordern. Anders als in Hessen soll die Camp-Teilnahme in Hannover Geld kosten. „Zwischen 50 und 75 Euro müssen schon sein“, sagt Schmidt-Lamontain. „Denn was nichts kostet, wird häufig auch nicht gewürdigt.“