Thema der Woche

Die Linke, Israel und die Palästinenser

■ betr.: „Wie halten Sie’s mit Israel, Herr Gysi?“, taz vom 17. 6. 11

Ein interessantes Demokratieverständnis, das in dieser Partei herrscht: „Es gab nur einige Abgeordnete, die vor der Abstimmung die Fraktion verlassen haben, um die Einstimmigkeit zu ermöglichen, wofür ich ihnen dankbar bin.“ Wenn die Minderheiten einfach verschwinden, gibt’s nur Einstimmigkeit! Danke, für den Tipp, wie man einen Konsens erzielt. Dass die Abgeordneten die Fraktion freiwillig verlassen haben, setzen wir jetzt einfach mal voraus. Und dass das alles nach DDR-Methoden riecht, ist auch kein Problem; die war ja, wie der Name schon sagt, durch und durch demokratisch.

W. A., taz.de

■ betr.: „Wie halten Sie’s mit Israel, Herr Gysi?“, taz vom 17. 6. 11

Im Übrigen gibt es schon einen palästinensischen Staat. Er heißt Jordanien. Achtzig Prozent seiner Bevölkerung sind Palästinenser und auch die übrigen sprechen Arabisch.

Übrigens: Nirgendwo haben arabischstämmige Menschen mehr Rechte als in Israel. Es gibt dort drei arabische Parteien, sie sind in der Knesset vertreten.

Auch in der israelischen Armee machen einige von ihnen Karriere. Und seitdem der Tempelberg von Israelis kontrolliert wird, haben alle Religionen dort Zugang.

Das war unter jordanischer Herrschaft nicht der Fall.

Hein Tiede, taz.de

■ betr.: „Wie halten Sie’s mit Israel, Herr Gysi?“, taz vom 17. 6. 11

Gysi ist für mich ein verkappter Salonstalinist, der praktische Israelkritik von Parteimitgliedern bürokratisch und mit Drohungen unterdrücken will. Er legitimiert das unter anderem mit der angeblich undiskutierbaren deutschen Verantwortung für das „real (auf palästinensischem Boden!) existierende“ Israel, ohne das moralphilosophisch, staatsphilosophisch oder menschenrechtstheoretisch überhaupt anzudiskutieren. Schließlich hantiert er Israel- und USA-legitimatorisch sehr oberflächlich wahrscheinlich mit der äußerst problematischen imperialismuskritikkritischen Theorie gewisser Wertkritiker (Postone, Kurz). Die Analysen von Chomsky, William Blum, Pappe existieren für ihn offensichtlich nicht einmal. Harun, taz.de

■ betr.: „Wie halten Sie’s mit Israel, Herr Gysi?“, taz vom 17. 6. 11

Gysi hat natürlich recht mit seiner Äußerung, dass Deutschland nicht alles von Israel fordern darf. Und wieso sollte es nicht antisemitisch sein, wenn man den Israelis einen eigenen Staat abspricht? Er wird ja auch den Palästinensern zugesprochen. Hallo – die jüdische Bevölkerung kommt ja nicht aus dem Off. Reicht es, wenn eine Vertreibung eines Volkes lange genug her ist, um ihm die Rückkehr zu verweigern?

Dies soll keine Kritik an der israelischen Politik bezüglich der Palästinenser verhindern. Da ist natürlich Kritik angebracht. Hierzu bedarf es aber einer differenzierteren Auseinandersetzung mit dem Thema, als sie zurzeit in Teilen der Linken läuft. Klar sind Teile der deutschen Linken antisemitisch. Da wird unreflektiert jede Kritik an der palästinensischen Seite als faschistisch bezeichnet. Christine, taz.de

■ betr.: „Wie halten Sie’s mit Israel, Herr Gysi?“, taz vom 17. 6. 11

Das ist die Gretchenfrage, die Frage nach der Irrationalität zum Beispiel von Gysis Realpolitik. Israel ist für Deutschlands Außenpolitik wie Religion. Leider auf Kosten der Palästinenser. Diese irrationale Realpolitik ist unmoralisch, weil eine Untugend, nämlich die Entmenschlichung der europäischen Juden durch „unsere“ Großeltern, durch eine andere, nämlich die aktuelle Missachtung palästinensischer Rechte, bekämpft wird.

Daher geht auch Gysis Hinweis, ein Boykott israelischer Waren höre sich an wie der Naziboykott „Kauft nicht bei Juden“, fehl. Es geht um einen Boykott wie gegen das Apartheidregime in Südafrika, das auch Rassentrennung und ethnische Säuberungen (Schwarze in Townships) betrieb.

Die Realpolitik moralisch einwandfrei werden zu lassen, sollte das Ziel deutscher Außenpolitik sein. Ein Staatsrecht kann nur beiden Parteien konkret zugesprochen werden, nicht nur Israel auf Kosten der Palästinenser.

Vor allem darf man nicht den Status quo anerkennen, denn Israel hat nur Anrecht auf ein Staatsgebiet in den Grenzen von 1967. HANNES KÜPER, Werne

■ betr.: „Wie halten Sie’s mit Israel, Herr Gysi?“, taz vom 17. 6. 11

Die Einstaatenlösung ist die einzige humane Konstruktion für das kleine Palästina. Ein getrennt von Israel errichteter Araber-Zwergstaat wäre weder lebensfähig noch lebenswert für seine Einwohner. Es ist eine Tragödie, dass die Linke ein Denkverbot für diese Lösung erteilt; stattdessen die alte Leier: Wenn es nicht klappt zwischen zwei Völkern: Scheidung!

Nach diesem Muster hat man bereits halb Europa ruiniert. Alle Gebiete zwischen Baltikum und Bessarabien. Schaut sie euch heute an, und vergleicht sie mit der Situation vor hundert Jahren: Die Nationalstaaten sind ein Fluch. Sie haben verbrannte Erde hinterlassen. Wo früher Großräume waren, wie Russland und Österreich, heute nur noch der Hinterhof Europas, voller Fremdenfeindschaft und Klaustrophobie.

Warum sollen die Juden irgendwo die Mehrheit stellen? Wem nützt das? Die Entwicklung Palästinas beweist: Es ist eher eine Katastrophe als eine Hilfe. Josef Riga, taz.de

■ betr.: „Wie halten Sie’s mit Israel, Herr Gysi?“, taz vom 17. 6. 11

Immerhin hat jetzt Herr Gysi zumindest erklärt, dass außerhalb Deutschlands auch eine Einstaatenlösung gedacht und sogar gefordert werden darf. Das Interview beantwortet viele Fragen, aber was man ihn noch unbedingt hätte fragen müssen, ist, was Die Linke eigentlich tut, um die so viel beschworene Zweistaatenlösung voranzubringen angesichts der Tatsache, dass das Land auf dem der zweite Staat entstehen sollte, kaum noch zur Verfügung steht.

Es ist ja ganz schön, sich im Klaren darüber zu sein, was man alles nicht darf, und sich darin einzurichten, aber Politiker sind nicht dafür gewählt worden, sich in Passivität zu sonnen. MANUELA KUNKEL, Stuttgart

■ betr.: „Die Sache mit dem Schal“, taz vom 14. 6. 11

Der Vorwurf des „neuen Antisemitismus“ wird, wie die Partei Die Linke demonstriert hat, als Zensurinstrument eingesetzt. Er dient als Ausrede, damit man sich mit dem realen Israel und der Behandlung von Palästinensern als Menschen mit minderen Rechten nicht auseinandersetzen muss.

Was sich in der Westbank als Kolonialisierung und Apartheid zeigt, und in Gaza als unmenschliche Blockade, die zur politischen Erpressung dient, geht von Israel aus: Die israelische Armee und die Zivilbehörde führen den politischen Willen der israelischen Regierung aus. Das Lernen aus der Geschichte, wie es von unseren Parteien formuliert wird, ist selektiv und opportunistisch.

Martin, taz.de

■ betr.: „Wie halten Sie’s mit Israel, Herr Gysi?“, taz vom 17. 6. 11

„Wenn ein Palästinenser oder Israeli einen binationalen Staat fordert, ist das sein gutes Recht. Es darf auch in Ecuador jeder einen gemeinsamen Staat für Palästinenser und Juden fordern. Aber nicht in Deutschland,“ so Gregor Gysi. Nonsens. Wenn ein Ecuadorianer etwas darf, dann darf ich das auch. Jeder Mensch hat die gleichen ethischen Pflichten, egal, wo er lebt.

Allenfalls kann man diskutieren, ob es für einen Deutschen sinnvoll ist, so etwas zu fordern, weil die Wahrnehmung seiner Nationalität den wahrgenommenen Inhalt der Aussage verzerren kann.

Aber wie Gysi schon sagte: Sinnvoll ist diese Forderung nur, wenn sie von einem Israeli oder Palästinenser kommt. Auch ein Ecuadorianer sollte besser die Klappe halten. Peter Maas, taz.de

In der Partei Die Linke ist das Thema Palästina und Israel erneut hochgekocht. Gab es zunächst Auseinandersetzungen über Linke-Abgeordnete, die teils im vergangenen Jahr auf den Schiffen zur Durchbrechung der israelischen Blockade des Gazastreifens waren, krachte es jetzt in der Fraktion.

Dort wurde nun, nach Auszug etlicher Parlamentarier, festgezurrt, dass die Linksfraktion für eine Zweistaatenlösung eintritt, eine erneute Hilfsflotte für Gaza nicht unterstützt und sich nicht an Initiativen beteiligt, die zum Boykott israelischer Produkte aufrufen. Gregor Gysi hatte bereits im Jahr 2008 die Unterstützung Israels in Deutschland zur „Staatsräson“ erhoben.

Über der Debatte schwebte die ganze Zeit der Vorwurf des Antisemitismus an die Kritiker der israelischen Politik.

Nun äußerte sich Gregor Gysi auch im taz-Interview dazu.