Ole von Beust darf auf Linksrutsch hoffen

Eine neue Umfrage sieht die Linkspartei in der Hamburger Bürgerschaft. Damit gebe es keine klaren Mehrheiten mehr. Die Konsequenz: eine große Koalition oder Schwarz-Grün. Und Ole von Beust bliebe Chef eines Senats, den niemand wirklich will

Seit Februar 2004 regiert die CDU in Hamburg mit absoluter Mehrheit. Damals erreichte sie 47,2 Prozent und 63 der 121 Mandate in der Bürgerschaft. Die SPD lag bei 30,5 Prozent (41 Abgeordnete), die Grünen bei 12,3 Prozent (17 Sitze). Die vorherigen Koalitionspartner der CDU, die FDP und die Schill-Partei, flogen sang- und klanglos aus Senat und Parlament. Seitdem ist die politische Lage in der Hansestadt etwas unübersichtlicher geworden. Auf dem rechten Flügel stehen die Partei „Heimat Hamburg“ des einstigen CDU-Justizsenators Roger Kusch und das von Ex-Schillianern gegründete „Zentrum“ laut bisherigen Umfragen stramm in den Niederungen von etwa einem Prozent. FDP und Linkspartei lagen bislang etwa gleichauf bei rund vier Prozent. Zu Jahresanfang sagte erstmals eine Wahlumfrage den Verlust der absoluten CDU-Mehrheit in einem Drei-Fraktionen-Parlament voraus: 44 Prozent für die Union gegenüber 46 Prozent für Rot-Grün.  SMV

VON SVEN-MICHAEL VEIT

Mit Bremer Rückenwind für Grüne und Linkspartei bleibt Ole von Beust CDU-Regierungschef in Hamburg. Das ist neun Monate vor der Bürgerschaftswahl an der Elbe die kuriose Konsequenz einer neuen Meinungsumfrage des Instituts Forsa für die heutige Ausgabe des Magazins Stern. Danach würde die Linkspartei nach der Bremer Bürgerschaft auch in das Hamburger Landesparlament einziehen – und die Mehrheitsverhältnisse einschneidend ändern: Große Koalition oder Schwarz-Grün wären die einzigen rechnerischen Möglichkeiten.

Nach der Umfrage unter 1001 wahlberechtigten HamburgerInnen erhielte die CDU nur noch 41 Prozent, mehr als sechs Prozentpunkte weniger als bei der vorigen Wahl am 29. Februar 2004 (siehe Kasten). Die SPD sackt leicht auf 29 Prozent, die Grün-Alternative Liste (GAL) steigt mit einem Plus von 3,5 Prozentpunkten in die Höhen auf, die vor zwölf Tagen die Bremer Grünen erreichten: 16 Prozent wären ihr mit Abstand bestes Ergebnis in Hamburg.

Erstmals wird der Linkspartei mit 6,0 Prozent eine realistische Chance auf Mandate im Rathaus eingeräumt, von denen die Freien Demokraten weiter träumen müssen. Sie bleiben mit vier Prozent in der außerparlamentarischen Opposition. Alle sonstigen Parteien müssen sich bei zusammen vier Prozent mit ihrer Bedeutungslosigkeit abfinden.

Wenig verwunderlich erscheint da, dass die CDU sich gestern wortkarg gab. Der Bürgermeister, zurzeit auf Dienstreise in China, kommentiert Prognosen von Demoskopen ohnehin aus Prinzip nicht. Und so musste denn Parteisprecherin Anna Christina Hinze beteuern, die Hanse-Union wolle „keine Umfragen gewinnen, sondern Wahlen“. Erklärtes Ziel bleibe „die absolute Mehrheit“.

Umso gesprächiger zeigte sich die Linkspartei, die es an der Elbe noch gar nicht gibt. Der Fusionsparteitag von PDS und WASG findet erst am 6. Juli statt. Er habe nach Bremen ein solches Ergebnis „erwartet“, sagt Berno Schuckart vom WASG-Vorstand. Das sei „der Lohn“ dafür, dass die Linke „als einzige Partei für soziale Gerechtigkeit eintritt“. Nach Vorlage ihres Wahlprogramms ebenfalls in sechs Wochen werde sich die Zustimmung noch erhöhen.

Eine Regierungsbeteiligung jedoch schloss Schuckart kategorisch aus. Erstes Ziel sei, für „politische Unruhe“ zu sorgen: „Wir werden knallharte Opposition machen.“ Aus seiner Sicht sind die Differenzen zu SPD und Grünen unüberbrückbar. Es sei denn, die würden sich ändern und auf die Linkspartei zugehen. Zentrale Punkte seien die Sozial- und Arbeitsmarktpolitik.

Für eine Annäherung aber gibt es keine Anhaltspunkte. „Eine Koalition mit dieser Splitterpartei mit ihrem alten DKP-Programm kommt nicht in Frage“, stellte SPD-Spitzenkandidat Michael Naumann klar. Er wie auch Parteichef Ingo Egloff setzen auf die „Einsicht“ der WählerInnen, „dass Proteststimmen ihren sozialen Anliegen zuwiderlaufen“. Zudem würden die Sozialdemokraten für eine hohe Wahlbeteiligung kämpfen, sagte Egloff, „und damit gegen die Hoffnungen der Linkspartei“.

Die eindeutige Präferenz der Hamburger SPD ist seit langem eine rot-grüne Koalition, die seit drei Jahren in der parlamentarischen Opposition auch schon intensiv geübt wird. In allen Meinungsumfragen seit Januar gab es dafür auch eine Mehrheit in der Bevölkerung – weil sowohl die Linke wie auch der geborene Steigbügelhalter der Union, die FDP, bislang unter der Fünf-Prozent-Hürde blieben. Nun aber wird auch eine große Koalition unter einem Bürgermeister von Beust nicht völlig ausgeschlossen – zwar nicht als Liebesheirat, aber als Zwangsehe.

Natürlich habe die GAL mit der SPD die größeren inhaltlichen Übereinstimmungen, sagt auch die grüne Parteichefin und Bundestagsabgeordnete Anja Hajduk. Eine völlige einseitige Festlegung auf Rot-Grün aber sei nicht sinnvoll, findet Hajduk ähnlich wie die Bremer Spitzengrüne Karolin Linnert. Die hatte vor zwei Tagen in der taz davor gewarnt, ein rot-grünes Bündnis „zum einzig möglichen exemplarischen Irgendwas aufzublasen“.

Im Vordergrund müsse aber „die eigenständige grüne Orientierung stehen“, stellt die Parteichefin klar, und Christa Goetsch, Fraktionschefin und designierte Spitzenkandidatin in Hamburg, betont deshalb gerade das ökologische Profil: „Ernsthafter Klimaschutz braucht eine andere Mehrheit.“ Und dass die eine schwarz-grüne sein könnte, sehen beide mit heftiger Skepsis.

Die GAL wäre „sicher in der Pflicht, ein Gesprächsangebot der CDU anzunehmen“, räumt Hajduk ein, wenn weder die Union noch Rot-Grün den Senat stellen könnten. Dass dabei aber „ein tragfähiges Ergebnis“ zu erzielen sei, hält sie für zweifelhaft.

Übereinstimmung herrscht bei SPD, Grünen und Linken lediglich in der gemeinsamen Freude darüber, dass die Union selbst mit ihrem Strahlemann von Beust die Mehrheit dauerhaft verloren habe. Was CDU-Sprecherin Hinze aber nicht entmutigt: „Abgerechnet“, sagt sie, „wird erst im Februar.“