Ein ganzes Haus voller Sawahiris

Al-QAIDA Auf den Spuren des neuen Terrorchefs Aiman al-Sawahiri in seiner Heimat, wo seine Verwandten als Ärzte praktizieren

„Aiman war eigentlich ein angenehmer Mensch“

MUHAMMAD GOHAR, KOMMILITONE

AUS KAIRO KARIM EL-GAWHARY

„Ach, du willst zu al-Sawahiri? Erst letzte Woche hatte ich bei ihm einen Termin“, meint der Taxifahrer: „Der ist sehr nett und sehr kompetent.“ Dann erzählt er, wie er dank al-Sawahiri seine Hautprobleme losgeworden ist. Dr. med Muhammad al-Sawahiri ist in Kairo ein stadtbekannter Hautarzt. In der Innenstadt praktiziert er in einem Haus voller Sawahiris. Auf den Messingtafeln am Eingang findet sich neben Dr. med. Muhammad auch ein Dr. med. Bakr al-Sawahiri, ebenfalls Hautarzt, dann Dr. med. Ali al-Sawhari, Orthopäde, und Dr. med. Omar al-Sawahiri, Augenarzt. Zu dieser angesehenen Kairoer Ärzte- und Intellektuellenfamilie gehört auch Aiman al-Sawahiri, der jetzt das Erbe Osama bin Ladens als Pate des Terrornetzwerks al-Qaida antritt.

Geboren und aufgewachsen ist der neue Al-Qaida-Chef im südlichen Kairoer Vorort Maadi, dort wo heute viele US-amerikanische Ölarbeiter, Botschaftsangehörige aus aller Welt sowie Kairos Elitefamilien wohnen. Sein damaliges Haus ist eher bescheiden. Muhammad Gohar, Chef des neuen revolutionären ägyptischen TV-Senders „25. Januar“, ist in der gleichen Nachbarschaft aufgewachsen und war mit ihm an der Universität. „Aiman war eigentlich ein angenehmer Mensch aus einer respektierten Familie“, erzählt Gohar. „An der Universität fiel er dann auf, weil er so oft beten ging. Das war damals noch eher ungewöhnlich.“ Damals, bevor Aiman 1974 mit „exzellent“ sein Arztstudium als Chirurg abschloss. In dieser Zeit geriet er in den Bann radikaler Prediger. Der damalige ägyptische Präsident Anwar al-Sadat unterstützte die radikalen Islamisten zunächst, um mit ihrer Hilfe an den Universitäten mit den Linken aufzuräumen.

Für Leute, die Aiman aus den 70er Jahren kannten, klingen dessen heutige feurige Reden für den heiligen Krieg im Namen der Palästinenser fremd. Als in den 70er Jahren der linke Studentenverband an Aiman al-Sawahiri als Chef des islamistischen Studentenverbands mit der Bitte herantrat, sich an einer Protestveranstaltung für die Palästinenser zu beteiligen, wurden sie abgewimmelt: „Was interessiert uns Islamisten Palästina?“

Denn die Islamisten hatten andere Prioritäten. Sie kämpften für konservative Moralvorstellungen und die Scharia. Sadat dankte den Islamisten ihren Einsatz gegen die Linken an den Universitäten und machte in der Verfassung die Prinzipien der Scharia von „einer“ der Quellen der ägyptischen Gesetzgebung zu „der“ Quelle. Doch die islamistischen Geister, die er geweckt hatte, wurden ihm 1981 zum Verhängnis, als die heiligen Krieger ihn ermordeten.

Vor genau dreißig Jahren fand sich Aiman al-Sawahiri als Angeklagter im Massenprozess gegen die Mörder von Sadat wieder. Legendär sind seine Reden aus dem Gerichtskäfig. Schon damals trug er die für ihn auch später so charakteristische schwere Brille. Schon damals hatte er einen Bart, wenngleich wesentlich kürzer und noch nicht weiß. Mit ausländischen Journalisten sprach er in bestem Englisch. TV-Chef Gohar war damals Kameramann im Gerichtssaal. „Es war ein Schock für mich, Aiman bei diesem Prozess wiederzutreffen“, erinnert er sich. Zunächst war al-Sawahiri nach dem Attentat auf Sadat untergetaucht. Also nahm die Polizei seine Mutter und Schwester fest. Beide wurden gefoltert und sexuell misshandelt, bis sich al-Sawhairi schließlich stellte. Das war eine durchaus übliche Methode unter Sadats Nachfolger Husni Mubarak. Gohar ist davon überzeugt, das dieses Erlebnis al-Sawahiri langfristig prägte. Das werde der ihnen ein Leben lang nicht verzeihen, habe al-Sawahiri ihm gesagt, erinnert sich der Fernsehmann und analysiert: „Das ist für mich einfach ein weiterer Beweis, dass arabische Diktaturen diese militanten islamistischen Monster erst geschaffen haben.“

Am Ende konnte al-Sawahiri keine Verwicklung in den Sadat-Mord nachgewiesen werden. Er wurde wegen illegalen Waffenbesitzes zu drei Jahren Haft verurteilt. Die Zeit im Kerker habe ihn noch mehr radikalisiert, heißt es. Der Rest ist Geschichte.