„Es ändert sich auch hier etwas“

PROTESTE In vielen europäischen Ländern gibt es seit Wochen Proteste. Jetzt sind die Deutschen am Zug, sagt der spanische Aktivist Javier Sánchez-Arjona. Am Sonntag gibt es eine Demonstration in Berlin

■ 30, ist Übersetzer und Demokratieaktivist. Er lebt in Berlin und engagiert sich dort in einem Ableger der spanischen Protestbewegung ¡Democracia Real Ya!

INTERVIEW MARTIN KAUL

taz: Herr Sánchez-Arjona, gemeinsam mit arabischen, spanischen, portugiesischen und deutschen Aktivisten rufen Sie für Sonntag zu Protesten vor dem Bundeskanzleramt in der deutschen Hauptstadt auf. Was soll das?

Javier Sánchez-Arjona: Wir wollen auch in Deutschland klarmachen, dass der Euro-Pakt und die Reaktionen der europäischen Regierungen auf die Finanzkrise einiger Länder uns alle in Europa betreffen wird. Wieso das? Die europäische Schuldenpolitik verfestigt die Prinzipien, dass nicht besteht, wer nicht wettbewerbsfähig ist. In dem Euro-Pakt werden Maßnahmen getroffen, die die Verschuldung der Länder auf Kosten des Sozialstaats bekämpfen sollen. Was heute Griechenland trifft, kann morgen jedes andere Land in Europa treffen. Darüber hinaus muss man sehen: Das setzt auch die Demokratie außer Kraft. Regierungen in starken europäischen Ländern wie Deutschland können den anderen die Regeln diktieren – etwa auf Kosten der Bevölkerung in Griechenland.

Die deutschen Steuerzahler sponsern die griechischen Sozialisten mit Megasummen und merken es gar nicht. Wieso sollte es in Deutschland jemanden stören, in einer machtvollen Position gegenüber europäischen Partnerländern zu sein?

Das ist doch genau der Punkt: Auch in Deutschland gibt es das große Manko an bürgerlicher Kontrolle und Transparenz in der Politik, über das sich in Spanien derzeit die Menschen erregen, wenn sie effektive Antikorruptionsgesetze und ein neues Wahlrecht fordern. In Deutschland kann Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) über Nacht Milliardenbeträge allein verteilen. Und auf EU-Ebene hat das Parlament weniger zu sagen als eine Kommission, die wir nicht wählen.

Das heißt: Am Sonntag bauen Sie und Ihre MitstreiterInnen vor dem Kanzleramt in Berlin Zelte auf und bleiben wochenlang?

■  Von den großen Protestwellen in Europa war in Deutschland bislang wenig zu spüren. Für Sonntag rufen nun Aktivistengruppen aus zahlreichen Metropolen zu einem europäischen Protesttag auf die Straßen. In Deutschland ruft Attac gemeinsam mit Aktivistengruppen aus Griechenland, Portgual, Spanien und arabischen Staaten für Sonntag um 17 Uhr zum Bundeskanzleramt in Berlin.

Nein.

Warum nicht? In Spanien gab es solche Protestformen doch auch.

Da müssen wir wohl erst einmal realistisch bleiben. Natürlich ist die Situation in Deutschland nicht mit der in Spanien oder Griechenland zu vergleichen. Zumindest aber können wir sagen, dass nun zum ersten Mal zahlreiche europäische Initiativen in Berlin zu Protestaktionen aufrufen – wie übrigens für Sonntag auch in vielen anderen europäischen Metropolen wie Brüssel, Rom, Bukarest, Kopenhagen oder Dublin Demonstrationen geplant sind. Bislang waren die Proteste und Aktionen sehr stark auf die jeweilige nationale Ebene beschränkt. Das ändert sich nun langsam.