Hoch die nationale Solidarität
: KOMMENTAR VON GERNOT KNÖDLER

Die gestrigen Kundgebungen der Airbus-Beschäftigten waren eher Akte der Selbstvergewisserung als Proteste, von denen man eine durchschlagende Wirkung erwarten darf. Die Airbus-Leute bekamen ein Ventil, um ihrer Existenzangst und ihrem Ärger Luft zu machen. Die Gewerkschaften konnten zeigen: Wir tun was! Und die CDU-Politiker Oettinger, Wulff und Uldall übten sich in Solidarität, die nichts kostet.

Der ausgerufene Aktionstag litt schon grundsätzlich darunter, dass er zwar europaweit stattfand, aber mitnichten europäisch war: Eine zunächst geplante zentrale Protestversammlung in Brüssel kam nicht zustande. Stattdessen veröffentlichte die französische Gewerkschaft CFE-CGC ein Flugblatt, in dem das Sparprogramm „Power 8“ als Prämie für die Inkompetenz der deutschen Werke bezeichnet wird. In Deutschland will Airbus entgegen den ursprünglichen Erwartungen weniger Arbeitsplätze abbauen als in Frankreich. Zuvor hatte die Gewerkschaft Force Ouvrière eine Studie veröffentlicht, in der die deutschen Fabriken im Vergleich zu den französischen als weniger produktiv bewertet wurden. Das öffentliche Hickhack auf der Arbeitnehmerseite droht deren Protest einen großen Teil seines Schwungs zu rauben.

Natürlich ist die Zusammenarbeit über die Grenzen hinweg schwierig. Während auf deutscher Seite eine Einheitsgewerkschaft agiert, kümmern sich um den französischen Airbus-Teil gleich fünf Gewerkschaften. Eine von den fünfen spiele immer die nationale Karte aus, klagte eine deutsche Gewerkschafterin. Die Gewerkschaften hinken organisatorisch hinter den Konzernen her. Kein Wunder, dass es ihnen schwer fällt, Druck zu machen.

Auch die Heterogenität der Belegschaften macht es schwierig, Solidarität zu organisieren. Wenn nicht gleich ganze Fabriken verkauft werden sollen, wird in Deutschland wohl nicht gestreikt werden. Zu verschieden sind die Interessen der Festangestellten von denen der Leiharbeiter und Arbeiter mit Werksverträgen. Außerdem hat Airbus paradoxerweise mehr als genug Aufträge und die Geschäftsführung ein Druckmittel in der Hand: Ein Streik würde Millionen kosten und den Sanierungsdruck verstärken.