„Skrupel habe ich keine“

ENTSCHEIDUNG In Luxemburg stellt der EuGH sein Gutachten im Streit um die Weservertiefung vor

■ 51, ist Bremer Landesgeschäftsführer des Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND).

taz: Herr Rode, warum sind Sie heute hier und nicht nach Luxemburg gefahren?

Martin Rode: Unser Anwalt meinte, da fährt man nicht hin. Das ist ja der Termin, wo der Generalanwalt eine Stellungnahme abgibt – und er sagte, das sei kein Termin, wo Kläger und Beklagte sich versammeln. Ich werde das Ergebnis von hier aus bewerten.

Was erwarten Sie?

Wir hatten ein Anhörungsverfahren, bei dem für mich relativ klar herausgekommen ist, dass die Bundesregierung mit ihrer Position isoliert war, die im Bezug auf das Projekt dem Verschlechterungsgebot so gut wie keine Beachtung schenken wollte. Aus den Rückfragen des Gerichts, habe ich geschlossen, dass die sich nicht durchsetzen wird. Das ist aber eine Spekulation.

Der BUND argumentiert mit ökologischen Konsequenzen. Welche wären das?

Wir bekommen eine Veränderung der hydrologischen Rahmenbedingungen, die in einer solchen Flussmündung herrschen. Das heißt der Tidenhub wird höher. Die Salzfahne, die sich natürlicherweise dort befindet, verschiebt sich landeinwärts. Die Strömungsverhältnisse verschärfen sich. In den Nebenflüssen wie der Lesum und der Wümme gibt es jetzt schon massive Uferabbrüche. Das hat biologische Folgen: Die Lebensräume und Überlebensbedingungen verschlechtern sich.

Worum geht es heute genau?

Um die Wasserrahmenrichtlinie der EU, die verbietet, die Gewässerqualität zu verschlechtern. Deswegen gibt es das so genannte Verschlechterungsverbot. Es geht im Kern um die Frage, wann das eintritt. So wie es derzeit gängige Praxis ist: eigentlich nie. Wir sind der Auffassung, das kann so nicht sein. Und hier sind Verschlechterungen auf jeden Fall messbar. Total spannend ist, dass es hier auch um die juristische Grundsatzfrage geht, die für alle Verfahren in Europa bedeutsam ist, die mit erheblichen Eingriffen in Gewässersysteme zu tun haben.

Nun hängt ja auch die Elbvertiefung an dieser Entscheidung. Haben Sie keine Skrupel, den norddeutschen Raum wirtschaftlich abzuhängen?

Skrupel habe ich überhaupt keine, aber die Schlussfolgerung ist falsch. Die Probleme der Hafenstandorte liegen ganz woanders: Nämlich bei der binnenseitigen Abfuhr. Wir haben eine völlige Überlastung der Schienen und Straßen. Außerdem hat man auch noch den milliardenteuren Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven, der nahezu ungenutzt ist. INTERVIEW: LKA