Richard Rother über den Klimawandel im Kleinen
: Gutes Wetter, schlechtes Wetter – über die fragwürdigen Vorstellungen von schönen Tagen

Als vor etwa zwei Wochen ein kräftiger Regen die über einen Monat währende Dürre in der Region endlich beendete, freute ich mich wie ein Kind, das barfuß durch die Pfützen platscht, die ein kräftiges Sommergewitter entstehen lässt. So ging es wohl den meisten Berlinern und Berlinerinnen – dass Pflanzen zum Wachsen Wasser brauchen, ist eine durchaus verbreitete Erkenntnis.

Aber schon am zweiten oder dritten Tag Regen wurden – während sich meine Laune stetig verbesserte – viele Gesichter in meiner Umgebung immer länger. „So ein Scheißwetter, hört das denn nie auf?“, fluchte schließlich eine Bekannte. „Vorerst nicht“, erwiderte ich, ein Triumphgefühl mühsam unterdrückend. „Das schöne Regenwetter bleibt, die Westwetterlage ist recht stabil.“

Gutes Wetter, schlechtes Wetter – wie wer welches Wetter empfindet, ist natürlich sehr subjektiv und von den aktuellen Bedürfnissen abhängig. Segler wünschen sich Wind, Biergartenbesitzer Sonne, Skitouristen Schnee, Bauern im Frühjahr Regen und im Sommer Sonne. Dennoch hat sich in Mitteleuropa in Jahrhunderten eine Definition von gutem und schlechtem Wetter entwickelt, die auch in Dutzenden Sprichwörtern und Volksliedern überliefert ist. Gut ist demnach, wenn es warm und sonnig ist; schlecht ist, wenn es kalt und nass ist. Das ist zwar verständlich, wenn man bedenkt, dass es jahrhundertelang keine vernünftigen Heizmöglichkeiten gab und die Leute von Oktober bis April froren – angesichts des Klimawandels ist diese Definition aber ein haarsträubender Anachronismus, der sich leider hartnäckig hält.

Berlin und Brandenburg drohen in den kommenden Jahrzehnten zu versteppen, weil in den heißer werdenden Sommern mehr Wasser verdunstet als im Laufe des Jahres als Niederschlag fällt. Die Folge: Bäche und Seen trocknen aus, Fische und Lurche sterben, Pflanzen verdorren. Jeder Tropfen Regen, der noch vom Himmel kommt, ist also ein Segen, weil je nach Jahreszeit die Vegetation ihn braucht oder er die Grundwasserspeicher auffüllen hilft. Seit Jahren sinken die Grundwasserpegel in der Region beständig, kräftiger Niederschlag kann diese Entwicklung verlangsamen. Wäre ich religiös, würde ich fordern, jeder Regen müsse mit einem Dankesgebet bedacht werden. Da ich nicht religiös bin, kann ich nur sagen: Wer über Regen jammert, weil er beim Fahrradfahren nasse Knie kriegt oder weil ihr die Schminke im Gesicht verrinnt, hat nichts begriffen.

Natürlich hält niemand den Klimawandel auf, indem er oder sie sich Regen wünscht im Sommer oder Schneematsch im Winter – aber eine realistische Einordnung aktueller Wetterlagen kann helfen, den längst merklichen Klimawandel zu spüren und zu begreifen. Und das ist eine Voraussetzung, um dagegen aktiv zu werden. Schmelzende Gletscher sind schließlich weit weg, das von Februar bis Oktober geöffnete Straßencafé ist nah.

Wer sich über mediterrane Sommer in Berlin freut, wie soll der registrieren, dass seit genau einem Jahr jeder Monat – mit Ausnahme des Augusts 2006 –deutlich zu warm war, wenn man den langjährigen Mittelwert als Vergleichsmaßstab heranzieht? Erinnern Sie sich noch: an die heißen Abende während der Fußball-WM, an das Straßencaféwetter Ende Oktober, an den frühlingshaften Januar und den sommerlichen April? War das schönes oder schlechtes Wetter?

Für die kommenden Monate jedenfalls habe ich einen klaren Wunsch, auch wenn er meiner Bekannten nicht passt: Ich hoffe auf einen frischen und regenreichen Sommer – außer in den zwei Augustwochen, in denen ich an der Ostsee im schönen Mecklenburg bin.

Das Pfingstwetter: Erst warm und gewittrig, dann kühler Tipp: Überallhin Sonnencreme und Regenschirm mitnehmen