Wird alles Dutt?

Unter dem Pflaster liegt der Strandkorb: Warum erst die gestern vollzogene Trennung von Manager Bornemann das Ende von Volker Finkes speziellem Kultur- und Geschäftsmodell SC Freiburg markiert

VON PETER UNFRIED

Während Volker Finke in seinen Arbeitsräumen die Unterlagen sortierte, präsentierte der Fußball-Zweitligist SC Freiburg gestern einen neuen Manager. Dirk Dufner hat mal für 1860 München in dieser Funktion gearbeitet (2000 bis 2004). Dufner (39) ersetzt Andreas Bornemann.

Erst damit – und nicht bereits mit der Verabschiedung des Trainergespanns Finke/Sarstedt – ist beim SC Freiburg sehr wahrscheinlich die Finke-Zeit zu Ende. Bornemann, zuvor Profi beim SC und Leiter der Fußballschule, muss vordergründig gehen, weil er nicht mit dem neuen Trainer Robin Dutt „konnte“. Relevant ist, warum: weil Dutts erste Spielerverpflichtungen die Befürchtung verstärken, er vollziehe die totale Abkehr vom Freiburger „Projekt“ (Finke). Der SC Freiburg von Finke und Bornemann war keiner, der Ergänzungsspieler aus der Bundesliga verpflichtete und sie mit hochdotierten Verträgen ausstattete. Die Bewahrung des Projekts war Bornemann offenbar wichtiger als die Bewahrung seines Arbeitsplatzes. Anders gesagt: Er war nicht „flexibel“ genug, um „Scheiß drauf“ zu denken.

Na und? Klar und zu Recht kann man sagen, dass jeder mal gehen muss, dass der Vorstand das Recht und die Pflicht hat, den Trainer abzulösen, wenn er Handlungsbedarf sieht – und dass der Mythos Freiburg eh etwas aus den Neunzigern sei.

Der Mythos schon. Aber, sagen die Besorgten: Es ist ein Unterschied, ob man den Trainer auswechselt. Oder ob man die Unternehmensphilosophie aufgibt. Philosophie? Nicht wenige reagierten irgendwann genervt, weil sie den Eindruck hatten, der Klub reite zu sehr auf seiner behaupteten Besonderheit herum (ein Vorwurf, der Freiburg ja auch im Allgemeinen gern gemacht wird). Es lohnt sich daher, genau zu untersuchen, inwiefern bei Finkes SC „anders“ gearbeitet wurde – und ob dadurch Werte entstanden sind, die der Ex-Manager bewahren wollte.

Als Finke, 59, am frühen Sonntagabend im Badenova-Stadion nach 16 gemeinsamen Jahren die Blumen des Präsidenten abgewehrt hatte und der alte Mann publikumswirksam davongeschlichen war, hatte er eine Ansprache gehalten. Sie war einigen im Publikum zu rational, zu pädagogisch, zu „lehrerhaft“, zu inhaltlich und zu unversöhnlich erschienen. Letztlich ein Beweis, dass er sich eben nicht verabschiede, sondern arrogant darauf bestehe, dass die Welt sich weiter um ihn zu drehen habe. Was aber sagte Finke? Er sagte: „Wir haben die Nischen gesucht, wo man besser sein kann als andere. Wenn wir den anderen etwas nachmachen, haben wir keine Chance.“

Ob das Modell ohne Finke funktioniert hätte? Wer weiß es. Im Prinzip hat er jedenfalls am Ende noch mal die Geschäftsgrundlage offengelegt, mit der er, Achim Sarstedt und seit einigen Jahren auch Manager Bornemann erfolgreich und nachhaltig gearbeitet haben.

So wie die Räume auf dem Spielfeld generell enger wurden, wurden die Räume jenseits der Spielfelder für kleine Fußballunternehmen enger, dauerhaft zumindest mit den mittleren Unternehmen mithalten zu können. Seit die Größeren den spieltaktischen Rückstand aufgeholt haben, muss man etwas Neues finden, und zwar dort, wo die anderen noch nicht sind. Das meint Gegenden der Welt, aus denen man Spieler holt, die Idee und Umsetzung der Freiburger Fußballschule – und generell die Art, wie und wie intensiv und wie respektvoll man mit den Spielern und den anderen knappen Ressourcen umgeht. Das hat auch eine Moral, die man bei entsprechender persönlicher Veranlagung oder bei Bedürfnis als „gut“ bezeichnen kann. Es greift aber zu kurz, das als „weltanschauliches Beiwerk“ (FAZ) abzutun. Es ist vor allem auch Geschäftsgrundlage. „Ausbildungsverein“ nennt sich heute jeder zweite Klub. Man muss es leben. Es ist kein Zufall, dass der SC Freiburg in den letzten zwei Jahren die jeweils jüngste Mannschaft im deutschen Profifußball hatte und die meisten Spieler im Kader, die aus der eigenen Ausbildung kommen.

Das Solardach auf dem Stadion ist auch keine Ideologie. Es ist nicht nur ein Symbol für Nachhaltigkeit. Auch nicht nur eine Analogie zur Fußballschule. Es ist echt. Hier wird, übrigens in Einklang mit dem Lebensstil und dem politischen Verständnis der Freiburger, erneuerbare Energie selbst produziert. Also der Strom, der dafür sorgt, dass die Lichter im Stadion anbleiben.

Schon sorgen sich die Ersten: Wird Robin Dutt das Solardach abreißen lassen? Was passiert, wenn Spieler mit „Wir sind Finke“-Trikots zum ersten Training kommen? Galgenhumor.

Die Fan-Initiative „Wir sind Finke“ wird heute die für eine außerordentliche Mitgliederversammlung gesammelten Unterschriften dem vierköpfigen Vorstand übergeben. „Früher oder später werden sie sich verantworten müssen“, sagte WSF-Sprecher Achim Trenkle der taz. Die neue Parole in der Stadt lautet: „Alles wird Dutt.“ Man wird herausfinden, was das bedeutet.