SPD gegen US-Pläne

AUS BERLIN LUKAS WALLRAFF

Das Gespräch, das Außenminister Frank-Walter Steinmeier heute in Washington mit seiner US-Kollegin Condoleezza Rice führt, dürfte schwierig werden. In der Debatte um das Raketenabwehrsystem der USA steht der EU-Ratspräsident innenpolitisch gewaltig unter Druck.

Alle Oppositionsfraktionen, aber auch Steinmeiers eigene Partei, die SPD, kritisierten gestern vehement das Vorhaben der US-Regierung, Abwehrraketen in Polen und Radaranlagen in Tschechien zu installieren. CDU-Politiker dagegen äußerten Sympathie für die US-Pläne. Kanzlerin Angela Merkel hielt sich zurück. Eine klare Linie der Koalition, die Steinmeier vertreten könnte, gibt es nicht.

„Wir brauchen keine neuen Raketen in Europa“, sagte SPD-Chef Kurt Beck der Bild-Zeitung und appellierte an die Europäer, gemeinsam gegen das Rüstungsprogramm vorzugehen. „Es gibt weltweit genügend Probleme, die wir meistern müssen“, erklärte Beck. „Ich nenne nur die Stichworte Armut, Klimawandel und Terrorismus. Neue Raketen und Waffensysteme helfen da nicht weiter.“

Beck opponiert fast so laut wie die Opposition. Das von den USA geplante Raketenabwehrsystem gefährde sämtliche Vereinbarungen zur Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen, warnte der Linkspartei-Außenpolitiker Paul Schäfer. Auch Grünen-Chefin Claudia Roth nannte das US-Projekt nicht akzeptabel. FDP-Chef Guido Westerwelle forderte Steinmeier auf, er solle in Washington „für Deutschland und Europa gegen die Raketenstationierung Flagge zeigen“. Doch das wird die Kanzlerin kaum zulassen.

Merkel beschränkte sich am Wochenende bei ihrem Besuch in Polen darauf, die Regierung in Warschau zu bitten, das Thema Raketenabwehr nicht nur bilateral mit den USA, sondern auch in der Nato zu besprechen – eine feste Zusage bekam sie nicht. Merkel warnte zwar, die Frage der Raketenabwehr dürfe nicht zu einem Spaltpilz in Europa werden. Ein grundsätzliches Nein zu dem US-Projekt ist von der Kanzlerin und CDU-Chefin aber nicht zu erwarten. Sie lässt ihre Leute vielmehr Verteidigungsreden für das Abwehrprogramm schwingen.

So rechtfertigte der außenpolitische Sprecher der Union, Eckart von Klaeden, das US-Projekt als Schutzmaßnahme gegen den Iran. Bisher seien alle, die das Raketenabwehrsystem kritisierten, „eine überzeugende Antwort schuldig geblieben, wie unsere Bevölkerung wirksam vor den Gefahren geschützt werden soll, die mit der Aufrüstung des Iran verbunden sind“, sagte von Klaeden. Auch die Einwände Russlands nannte der CDU-Mann unbegründet. Das geplante System sei rein defensiv und richte sich nicht gegen Russland. Zu glauben, zehn Abfangraketen in Polen könnten etwas gegen die russischen Atomwaffen ausrichten, wäre naiv. Es dürfe „kein russisches Veto gegen die Sicherheitsinteressen unseres Landes oder unserer Verbündeten geben“, forderte von Klaeden. „Wir dürfen das Richtige nicht unterlassen, nur weil es Moskau falsch verstehen will.“

Steinmeier übte in einem Beitrag für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung den Spagat zwischen den unterschiedlichen Erwartungshaltungen. Mit Blick auf den Widerstand der SPD schrieb er: „Wir wollen kein neues Wettrüsten in Europa!“ Andererseits nannte er das Bedürfnis der USA, sich vor iranischen Raketen zu schützen „legitim“. Weder die Nato noch die EU dürften sich über die „notwendige offene Debatte“ entzweien. Es gehe um Vertrauen und Sicherheit für alle. Auf dieser Grundlage will Steinmeier „die Vor- und Nachteile eines Raketenabwehrsystems in Europa diskutieren“. Auch wenn seine eigene Partei keine Vorteile zu sehen scheint.