Hertha redet sich Niederlage schön

Die Berliner greifen gegen Cottbus wacker an, verlieren aber dennoch 0:1 – auch wegen der Paraden des Cottbusser Torhüters. Selbstkritik ist von den Hertha-Bossen nicht zu hören. Trainer Falko Götz sagt: „Das Einzige, was nicht stimmt, ist das Ergebnis“

von JOHANNES KOPP

Nach dem Schlusspfiff sank der Cottbusser Torhüter Gerhard Tremmel glücklich zu Boden und vergrub sein Gesicht im Rasen. Eine theatralische Geste, wie man sie von Endspielen kennt. Für Tremmel ging es auch beim Lokalderby in Berlin um sehr, sehr viel. Der Ersatzkeeper kämpft seit drei Jahren um regelmäßige Bundesligaeinsätze. Nachdem er die vergangene Saison auf der Ersatzbank von Hertha verbrachte, langweilte er sich diese Spielzeit auf der von Cottbus.

Ausgerechnet gegen seinen alten Arbeitgeber erhielt er nun nach langer Wartezeit seine Bewährungschance. Stammkeeper Tomislav Piplica war verletzt. Am Ende der Partie, als Tremmel sich niederlegte, muss es ihm wie ein kühner Traum vorgekommen sein: Er war am Freitag bei der 0:1 Niederlage der Herthaner gegen Cottbus aufgrund seiner vielen Paraden der umjubelte Mann des Abends.

Vom Pech verfolgt

Aber auch das Team konnte sich über einen denkwürdigen Abend freuen. „Wenn das kleine Cottbus sechs Punkte gegen Berlin holt, dann ist das nicht normal“, erklärte Petrik Sander, der Trainer der Lausitzer, feierlich. Die Cottbusser hatten nämlich auch das Hinspiel des Nachbarschaftsduells mit 2:0 für sich entschieden.

An diesem Abend ereignete sich einiges Ungewöhnliches. Oder gab es das überhaupt schon einmal, dass der Torwart der Mann mit den meisten Ballkontakten in seinem Team war? Gerhard Tremmel führte jedenfalls diese Wertung an. Ein statistischer Seltenheitswert, mit dem sich weitere Ausführungen zur rückwärtsgewandten Spielweise der Gäste erübrigen.

Ebenso erstaunlich war, dass Schiedsrichter Jochen Drees den Berlinern in der 42. Minute einen Strafstoß verweigerte, den man noch aus mehreren hundert Metern Entfernung mit Gewissheit hätte pfeifen können. Der Cottbusser Kevin McKenna bekannte klar: „Ich habe Pantelic festgehalten. Es war ein Elfmeter.“

Herthas Trainer Falko Götz sah sich in seiner Überzeugung bestätigt, dass Hertha derzeit vom Pech verfolgt sei. „In einer solchen Phase hast du einfach kein Glück“, beklagte er. Die miserable Serie (sechs Spiele ohne Sieg) wird bei Hertha im Wesentlichen mit der Laune des Schicksals erklärt. Ging man schon letzte Woche nach der Niederlage in Gladbach mit Selbstkritik sehr sparsam um, schien man sie sich dieses Mal bei Hertha ganz zu verbieten. „Das Einzige, was nicht stimmt, ist das Ergebnis“, sagte Götz.

Im Spiel nach vorn boten die Herthaner zwar in der Tat ihre beste Vorstellung in diesem Jahr und erspielten sich einige gute Chancen. Die Partie ging aber verloren, weil in der Abwehr nur auf die Unzuverlässigkeit Verlass war. In der 47. Minute vertändelte erst Jerome Boateng leichtsinnig den Ball, dann drosch Josip Simunic über das Leder, so dass Sergiu Radu zum 0:1 nur noch einzuschieben brauchte.

Doch beim Tabellenachten ignorierte man in der Spielanalyse diese entscheidende Szene. Manager Dieter Hoeneß stellte vielmehr demonstrativ seine Unbekümmertheit zur Schau: „Wenn wir so weiterspielen, mache ich mir überhaupt keine Sorgen. Seien Sie versichert, wir werden die nötigen Spiele gewinnen.“ Hoeneß bezog sich dabei auf die Abstiegsgefahr. Vom Uefa-Cup sprach niemand mehr.

Der Mannschaft attestierte der Manager aber, in der ersten Halbzeit gegen Cottbus Traumfußball gespielt zu haben. Diese Bemerkung gehört allerdings zu den Rätseln, die Hoeneß neuerdings den Journalisten in Form eines Kinderspiels aufgibt: Ich sehe was, was du nicht siehst. Zuletzt sah Hoeneß bei den Hertha Spielen zwei- bis dreimal so viele Torchancen für seine Mannschaft, wie die Datenbankexperten zählten. Die Presseleute erkundigten sich verwundert nach Hoeneß Wahrnehmung. Dieser lässt sich aber nicht beirren. Einem zweifelnden Journalisten hat er sogar eine DVD vom Gladbachspiel brennen lassen, „mit allen Torgelegenheiten“, wie Hoeneß betonte. Er hätte von Gelegenheiten, nicht von Chancen gesprochen. Was es mit dieser Ausdifferenzierung auf sich hat, wird sein Geheimnis bleiben.

Angesichts des wachsenden Drucks von außen, erscheinen die Beschönigungen des Hertha-Spiels wie eine trotzige Gegenreaktion. Trainer Götz wurden im Berliner Blätterwald Wechselfehler, Defensivtaktik und fehlendes Gespür für die Spieler vorgehalten. Und die Fans forderten am Freitag schon vor dem Anpfiff: „Wir wollen euch kämpfen sehen“. Zudem hielten sie ein Transparent mit der Forderung hoch: „Heute keine Ausrede.“