CROISSANTS UND ZIGARETTEN
: Der Morgen

Auf dem Tisch lagen noch ein paar Centstücke

Manchmal beginne ich doch an meinem Verstand zu zweifeln. Frühmorgens war ich vom Verkehrslärm aufgewacht, benommen zu den Fenstern getaumelt, hatte sie geschlossen und noch ein bisschen gedöst. Als ich auf stand, waren es immer noch 26 [o]in der Wohnung. Ich wusch mich, setzte Kaffee auf und wollte Croissants und Zigaretten holen. Auf dem leicht verwüsteten Schreibtisch lag mein Portemonnaie. Ich freute mich, dass da noch ein roter Schein herauslugte, stellte mir vor, wie ich mir gleich Zigaretten, Croissants und Ohrstöpsel kaufen würde, ärgerte mich gleichzeitig über die große Unordnung, die auf und neben dem Schreibtisch herrschte, räumte automatisch ein bisschen auf, wollte nun losgehen, schaute zum Portemonnaie.

Der Schein war weg. Mit steigender Unruhe begann ich zu suchen; in den Taschen der Sachen, die ich anhatte, in den Taschen der Sachen, die auf dem Boden lagen, im Flur, im Bad, im Kühlschrank. In der Jeans, die auf dem Boden lag, fand ich einen Fünf-Euro-Schein. Nun war ich mir nicht mehr völlig sicher, ob ich tatsächlich einen roten Schein im Portemonnaie gesehen hatte. Fünf Euro waren aber zu wenig. Für Croissant und Zigaretten brauchte ich 5,70. Auf dem Tisch lagen noch ein paar Centstücke und auf dem Boden paar leere Flaschen. Immer unglücklicher werdend suchte ich eine Weile gleichzeitig nach den sieben Cent, die mir noch fehlten und nach dem Zehn-Euro-Schein, den ich noch nicht aufgegeben hatte. Schließlich fand ich noch eine leere Colaflasche, ging los, kaufte das Benötigte, setzte mich an den Schreibtisch, begann, über das Geschehene zu schreiben. Der Zehn-Euro-Schein, der längst Symbol eines viel umfassenderen Versagens geworden war, ich suchte ihn weiter, verletzte mich irgendwie am Finger und fand den Schein schließlich im Papierkorb zwischen alten Kippen und Kartoffelschalen.

DETLEF KUHLBRODT