Der Sohn

… hätte fast meinen Austritt aus der Kirche bewirkt. Immer gut, immer gerecht, immer weise. Ein Vorbild in jeder Lebenslage. Das reichte ihm aber offensichtlich nicht – der Jesus meiner Kindheit musste auch noch alle Menschen permanent auf ihre kleinen und großen Fehler hinweisen. Wäre man in seine Klasse gegangen, man hätte ihm das Pausenbrot geklaut und ihn mit Papierkügelchen beschossen. Zu seinen Eltern war Jesus auch nicht besonders nett. Als 12-Jähriger verschwindet er bei einem Ausflug, und als Maria und sein Adoptivvater Josef ihn nach drei Tagen, krank vor Sorge, endlich im Tempel finden, da macht er ihnen Vorwürfe: „Was ist es, dass ihr mich gesucht habt?“ – „Jesus will, dass die Kinder zu ihm kommen“, drohte meine Religionslehrerin. Ich wollte das nicht.

Wie menschlich und unautoritär sind dagegen die Söhne und Väter des Alten Testaments. Hier nennt sich Gott: „Ich bin, der ich bin“ – und ordnet sich männlich wie weiblich kodierte Eigenschaften zu: „Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet“ (Jesaja 66,13). Die Maskulinität, die aktuell tief in der Krise steckt, könnte zur Abwechslung die „Anleitungen zur Männlichkeit“ weglegen und sich an alten Modellen orientieren. Trotz all der mit Nachdruck hervorgehobenen Zeugungsfähigkeit der alttestamentarischen Männer (siehe Mat 1) sind die Erzväter „unmännlich“, wenn man Eigenschaften wie hart, unnachgiebig und brutal denn als männlich kodiert sieht.

Abrahams geliebter Sohn Isaak ist das größte Opfer, das sein Vater bringen könnte, deswegen wählt Gott ihn. Isaak selbst wird von seinem zweitgeborenen Sohn Jakob ausgetrickst, und der wiederum kann als Vater nicht verhindern, dass sein Lieblingssohn Joseph von seinen elf anderen Söhnen verkauft wird. David, der seinen Sohn Absalom schließlich von den eigenen Leuten jagen lassen muss, ist selbst am unglücklichsten darüber. Obwohl Absalom den Vater stürzen wollte, überwältigt David die Nachricht des Todes: „Mein Sohn Absalom, wäre ich doch an deiner Stelle gestorben“ (2 Sam 19,1).