„Auf Kurs gegen den großen Durst“

Das Bild des wilden, betrunkenen Wikingers ist nicht totzukriegen. Dabei mussten sich die Männer im Ernstfall gegen das Bier und für den Brei entscheiden, sagt die Leiterin des Wikingermuseums Haithabu, Ute Drews. Denn die Rohstoffe waren knapp

UTE DREWS, 51, ist Pädagogin und leitet seit 1992 das Wikiniger Museum Haithabu bei Schleswig.

taz: Frau Drews, Ihre Ausstellung im Wikinger Museum Haithabu heißt „Das Wikingerschiff in Werbung, Kunst und Alltag“ – wo schwimmen denn im Alltag Wikingerschiffe?

Ute Drews: Sie schwimmen ständig um uns herum. Wir nehmen sie nur nicht wahr, weil sie so selbstverständlich sind. Sie tauchen in zahlreichen Werbungen auf und das Interessante ist, dass jedes Produkt meint, darauf verweisen zu können.

Mir fällt eigentlich nur ein lokales Bier ein, das mit dem Schiff wirbt.

Es gibt auch eine Würstchenfabrik in Elmshorn, die mit dem Schiff wirbt, dänisches Papier, die Firma Reemtsma, die den Steven als Signet führt, und viele mehr. Unternehmen, die sich für dieses Logo entscheiden, haben oft eine Beziehung zu Skandinavien. Aber man fragt sich schon, wo der Bezug zu Schuhcreme ist – die Wikinger liefen meist barfuß.

Was sind denn die skurrilsten Funde Ihrer Sammlung?

Da gibt es viele. Ein Golfball, Brötchen, die im Pappschiff verkauft werden, ein Fingerhut, Kaffee.

Wenn das Schiff so allgegenwärtig ist, wofür steht es denn eigentlich?

Für Stärke, Kraft und Überlegenheit. Immerhin haben die Wikinger es geschafft, dass eine ganze Epoche nach ihnen benannt wurde, und das war nur aufgrund ihrer leistungsfähigen Schiffe möglich. Der Mythos um die Wikinger hat mit Abenteuer zu tun, mit Risiko, auch unternehmerischem Mut.

Gleichzeitig sind die Wikinger in der Wahrnehmung doch eher nette Kerle – so eine Art Knut unter den räuberischen Völkern.

Das kommt sehr auf den Blickwinkel an. Hägar ist sicher ein knuffiger Kerl, aber es gibt auch das starke Bild der gnadenlosen, brandschatzenden Wikinger. Denken Sie an den Film mit Kirk Douglas, in dem das Schlachten deutlich gezeigt wird.

Sie sprachen vom Mythos der Wikinger – will die Ausstellung ihn entzaubern?

Nicht entzaubern, sondern den Blick schärfen und aufklären. Die Besucher sollen staunen und manchmal schmunzeln, weil vieles wirklich witzig ist.

Was sind denn Themen der Ausstellung?

Eines lautet „Das Schiff auf Kurs gegen den großen Durst“. Spätestens seit dem „Torfrock“-Hit „Sie saufen den Met, bis keiner mehr steht“ gibt es dieses Bild des stets betrunkenen Wikingers.

Sagen Sie etwa, die hätten nicht gesoffen?

Wir haben versucht, nach den Methoden der Wikinger Bier zu brauen, und als erstes muss man feststellen: Es gab nie genug Rohstoffe, dass sie viele Vorräte hätten anlegen können. Nach einer schlechten Ernte standen sie vor der Frage: Bier brauen oder Gerste für Brei aufbewahren? Aus reiner Notwendigkeit haben sie sich für Brei entschieden. Außerdem konnten Biervorräte schlecht werden. Aber das Bild existiert, es wurde auch durch Schilderungen in den isländischen Sagas gestützt. Daher gibt es viele Alkoholsorten, die sich mit dem Schiff schmücken. Das reicht vom Billig-Met bis zum edlen Cognac, der im Glasschiff zu 150 Euro verkauft wird.

Woher stammen die Stücke, die Sie zeigen?

Vieles aus der Sammlung von Professor Kurt Schietzel, der sich seit 40 Jahren mit dem Thema beschäftigt. Vieles von mir selbst, ich sammle seit 20 Jahren. Auch in meinem Büro steht eine Flotte von Schiffen.

Reicht es Ihnen denn jetzt?

Es gab einen Moment, da dachte ich, ich könnte aufhören. Aber allein die vielen Schiffe, die Besucher für unsere Gästevitrine abgeben, und der Flohmarkt am vergangenen Wochenende haben mich wieder überzeugt. Da habe ich schon die nächsten Stücke gekauft, einen Kaffeelöffel und eine Zigarettendose. Und es gibt Momente, da bricht die Leidenschaft sich Bahn: Etwa als ich in Cordoba eine große Wikingerschiffsschaukel gefunden habe. Der Steven – schließlich war es in Spanien – trug statt einer Drachenkopfzier einen Stierkopf.

Im Wikinger Museum Haithabu gibt es nicht nur Kitsch und Kunst zu sehen, sondern auch ein echtes Schiff. Passt das zusammen?

Das macht die Ausstellung zu etwas Besonderem. Die Besucher können sich die Nasen an den Vitrinen platt drücken und dann das Original ansehen. Dazu gibt es Informationen über berühmte Wikingerschiffe.

„Unsinkbar“ lautet der Titel der Ausstellung. Aber die echten Wikingerschiffe waren doch eher unsichere Kähne?

Sie stellten schon einen ungeheuren Fortschritt dar: Sie waren seetüchtig, die Wikinger konnten weite Strecken zurücklegen. Aber natürlich waren sie nicht allen Stürmen gewachsen, viele sind sicher untergegangen. Aber in unserer Vorstellung schwimmen sie immer oben.

Interview: ESTHER GEISSLINGER

Die Ausstellung „Unsinkbar! Wikingerschiffe in Werbung, Kunst und Alltag“ läuft bis zum 30. September