Jubel im Mäuselabyrinth

Jedem ein Plätzchen: VIPs und Technotouristen stürmten den neu eröffneten Tresor

Da werden sich die Bewohner der Plattenbauten in der Köpenicker Straße gegenüber dem Vattenfall-Gelände gestern Nacht ganz schön gewundert haben. Denn es geschah der Einfall der Tausende in das alte Elektrizitätswerk. Laut Augenzeugenberichten war es gegen Mitternacht schon zu tumultartigen Szenen gekommen, als sich die Eröffnung des neuen Tresors verzögerte.

Die Erhabenheit der Industriekathedrale konnte man bei dem enormen Menschendurchlauf nicht ganz erfahren. Man ließ sich mit der Masse treppauf, treppab schieben, den Aufgang zu einem Plateau hoch, dann an einem Gemäuer lang, die Stufen abwärts und links rum, einer frisch hochgezogenen Mauer folgend ins nächste Treppenhaus – bis man jede Orienterung verloren hatte und sich wie im „Verrückten Mäuselabyrinth“, einer mäuseverachtenden Jahrmarktsattraktion, fühlte.

Im Batterieraum, dem „Globus“ des alten Tresors nachempfunden, herrschte höchst euphorische Stimmung. Alle tanzten und lachten sich an, machten anachronistische Handbewegungen durch die Luft, stöhnten und jubelten auf, wenn der Bass aus- und wieder einsetzte.

Der Weg zum Tresorkeller führte durch einen 30 Meter langen Betonschacht, der an Zombie- und DDR-Fluchtfilme erinnerte. In all der Unübersichtlichkeit kristallisierte sich bald eine recht vernünftige Aufteilung heraus: Draußen vor der Tür lungerten die Technogäste aus Italien und den Niederlanden herum, zusammen mit jungen Dachrinnenfrisurmännern in neongrünen Zelthosen aus dem Oberhavelland. In der VIP-Lounge traf sich der Berliner Ausgeh-Adel der letzten 20 Jahre. Die zumeist britischen Easyjetter hielten sich am liebsten im Tunnel auf, und hie und da poste eine overdresste Schönheit mit Louis-Vuitton-Tasche vor einer Wand. So fand jeder seinen Platz.CHRISTIANE RÖSINGER