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: König Horst von Deutschland

„Ich bin kein Unterschriftenautomat“, So., 18.05 Uhr, ARD

Wer am Pfingstsonntag das Erste einschaltet, um wie gewohnt die Sportschau zu sehen, wird eine Überraschung erleben. Statt der üblichen reuigen Dopingsünder erscheint eine ganz neue Figur: König Horst I. von Deutschland, ein sanfter, kluger, sündenfreier Monarch ohne Fehl und Tadel.

Drei Jahre nach seiner Wahl zum Bundespräsidenten hat Horst Köhler geschafft, was vor ihm keinem Politiker gelang: Obwohl er sich in seinen Reden parteiischer als alle seine Vorgänger auf die Seite der Arbeitgeber schlug, erfährt er im Volke große Beliebtheit und nun auch die höchsten Weihen, die das öffentlich-rechtliche Fernsehen zu vergeben hat: ein Porträt von Rolf Seelmann-Eggebert, gleichsam die Erhebung in den Adelsstand.

Jener Journalist nämlich beschäftigt sich seit Jahrzehnten ausschließlich mit gekrönten Häuptern. Aus gutem Grund, den er 2004 verriet: „Bundespräsidenten kommen und gehen, Könige bleiben.“ Was ist daraus zu schließen, dass sich der ARD-Höfling nun Köhler widmet? Dass dieser ewig amtieren soll? Seelmann-Eggebert liefert dafür alle erdenklichen Argumente. Köhler, so sieht man in unzähligen Szenen, kann über rote Teppiche laufen, ohne zu stolpern. Ihn leitet ein „innerer Kompass von Überzeugungen“. Und er ist sogar besser als traditionelle Monarchen. Während Silvia von Schweden nach einer Feier schnell abreist, „unterhält sich Köhler noch mit Zaungästen“. Denn: „Spontane Gespräche mit den Bürgern sind ihm wichtig“.

Köhler selbst hat gegen so viel Schleimerei nichts einzuwenden und erklärt, von der eigenen Unfehlbarkeit tief überzeugt: „Ich versuche, berechtigten Anliegen Gehör zu verschaffen.“ Wer diesen Film sieht, entwickelt erstmals Verständnis für Markus Söder. Dessen Drohung, Köhler abzuwählen, erscheint plötzlich äußerst berechtigt. LUKAS WALLRAFF