DER ALLERLETZTE PROLET: Schauspieler im Kiez
Das Erste, was mir durch den Kopf schießt, als mir Uwe Ochsenknecht über den Weg läuft: „Huch, das ist ja Uwe Ochsenknecht.“ Fast hätte ich ihn nicht erkannt. Kurz bevor er an mir vorbeigelaufen ist, signalisiert die Netzhaut ans Gehirn: Uwe Ochsenknecht.
Und das ist sehr ungewöhnlich, denn normalerweise signalisiert mir meine Netzhaut keine Schauspieler, nicht mal richtige Schauspieler wie … jetzt fällt mir der Name nicht ein, aber er spielt in „Der Jäger des verlorenen Schatzes“ den Jäger. Meine Freundin war damals total aufgeregt, während ich mich suchend umguckte und ein paarmal hintereinander „Wo! Wo! Wo!“ fragte. Uwe Ochsenknecht ist also mein erster Schauspieler, den ich ganz von alleine erkannt habe. Dann geht mir durch den Kopf: „Was macht der denn hier?“ Und dann: „Oh Gott, der ist bestimmt hierher gezogen!“ Und dann. „Dann ist die Gentrifizierung also perfekt. Dazu hat nur noch Uwe Ochsenknecht gefehlt!“
Ich stelle mir vor, wie Uwe Ochsenknecht dem letzten Alkoholiker aus dem Viertel die letzte billige Wohnung unter dem Arsch wegzieht, sie teuer renovieren lässt, nur um dann ab und zu in Berlin mürrisch durch die Straßen zu laufen, um zu sehen, ob ihn jemand erkennt.
Ich erzähle Katja von meiner seltenen Begegnung. „Der allerletzte Prolet auf Gottes weiter Erde? Der?“, fragt sie. Rhetorisch natürlich. Ich wusste gar nicht, dass Ochsenknecht der allerletzte Prolet ist, aber wenn Katja das sagt, stimmt das bestimmt. Später entdecke ich in der Dieffenbachstraße einen Cateringwagen und Filmleute mit Filmausrüstung. „Ah“, denke ich erleichtert, „doch kein Ochsenknecht im Kiez.“ Wenn ich ihn nämlich hier häufiger getroffen hätte, dann hätte ich immer denken müssen: „Oh Gott, Uwe Ochsenknecht, der allerletzte Prolet auf Gottes weiter Erde.“ Und so richtig toll wäre das nicht gewesen.
KLAUS BITTERMANN
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