Lieber ein Shopping-Center

WELTBAUKASTEN Das Science Center in der Hamburger Hafencity hätte ein architektonisch spektakulärer Kontrapunkt zur Elbphilharmonie werden können. Am Ende mangelte es an Inhalt

Für die Hamburger Hafencity gibt es zum Glück die Elbphilharmonie: Die Planer waren stets davon ausgegangen, dass dieser neue Stadtteil prominente öffentliche Gebäude braucht, um sich mit Leben zu füllen. Einer dieser „Leuchttürme“ ist inzwischen sang- und klanglos gestrichen worden: „Das Science-Center-Konzept wird nicht realisiert werden können“, teilte der Senat der Bürgerschaft vergangenen Juni mit. Das für das Science Center vorgesehene Grundstück in exponierter Lage werde jetzt ins Shopping-Quartier integriert.

Das Science Center hätte den Anfangspunkt einer Achse markiert, die an der künftigen Haupt-Anlegestelle für Kreuzfahrtschiffe beginnt und am Jungfernstieg endet. Geplant war es als spektakulärer Baukörper des niederländischen Architekten Rem Koolhaas – ein senkrecht stehender Kranz wie aus aufgestapelten Containern, 70 Meter hoch mit 23.000 Quadratmetern Geschossfläche.

Der Boxenstapel hätte eine Kombination aus Wissenschafts-Erlebnisausstellung, Aquarium und Planetarium aufgenommen. Verschiedene Großthemen hätten darin für das Publikum erfahr- und begreifbar gemacht werden sollen – von der Entstehung des Universums über das Erdinnere und die Naturgewalten bis hin zur Intelligenz. Der Clou wäre ein „Wissenschaftstheater“ gewesen: ein von innen und außen bespielbarer Globus. Drinnen hätten 3-D-Projektionen gezeigt werden können, außen hätte der Globus die wechselnde Gestalt der Erde oder der Sonne zeigen können.

Das Planetarium hätte für eine Grundauslastung des Science Centers sorgen sollen – in der Hoffnung, dass dieses ohne einen Betriebskostenzuschuss auskäme. Den Rest des Gebäudes hätte das Aquarium gefüllt – ebenfalls ein Frequenzbringer, der sich, privat betrieben, selbst hätte tragen sollen. „Aquarien rechnen sich weltweit“, sagte die damalige Kultursenatorin Karin von Welck (parteilos) 2005.

Die Planer aus der Kulturbehörde und der Hafencity GmbH hatten allerdings ihre Rechnung ohne die Nostalgie der Hamburger und ohne den bezirklichen Lokalpatriotismus gemacht. Viele befürchteten, das weithin sichtbare Planetarium im Stadtpark könnte über kurz oder lang eingehen. Ein Aufstand des Bezirks Nord und der Opposition bewog von Welck zu einem Kompromiss. Das Planetarium im Stadtpark sollte erhalten bleiben, aber seine erfolgreichen 3-D-Shows wie die Reise zum Ursprung des Universums an das Wissenschaftstheater abgeben.

Ende 2008 wurde überdies deutlich, dass es wohl auch kein Aquarium im Containerstapel geben würde. Ein großes Aquarium käme Hagenbeck’s Tropenaquarium in die Quere, ein kleines wäre für das Science Center nicht attraktiv genug, dämmerte dem Senat. Es werde geprüft, „auf dieses Element zu verzichten“. Fortan hatte der Koolhaas-Bau nicht nur optisch ein Loch.

Dazu kam, dass im selben Jahr die Finanzkrise ausbrach, sodass privates Geld nicht mehr zur Verfügung stand, und dass die Kosten für die Elbphilharmonie munter in die Höhe sprangen. 46 Millionen Euro wäre die Bürgerschaft bereit gewesen für den Bau und die Ausgestaltung des Centers auszugeben. Ab 2009 wurde das Geld anderweitig verplant.  GERNOT KNÖDLER