Zugeschleimte Atemwege

SEEHUNDSTERBEN

Die Seuche geht weiter: 500 tote und schwerstkranke Seehunde sind bis Donnerstagabend von den Stränden auf Sylt, Helgoland, Amrum und Föhr geborgen worden – sie sind Opfer einer Vogelgrippe geworden. Das ergaben neue Zählungen des Nationalparkamtes Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer im nordfriesischen Tönning. Nach aktuellen Schätzungen leben etwa 38.000 Seehunde in der Nordsee, rund ein Viertel davon im schleswig-holsteinischen Wattenmeer.

Anfang Oktober waren die ersten toten Seehunde an der Westküste angeschwemmt worden, bis vorigen Montag waren es 350. Tierärztliche Untersuchungen ergaben, dass Influenzaviren für das Sterben verantwortlich sind: Sie führten bei den Meeressäugern zu tödlichen Lungenentzündungen. Für die Tiere sei es ein qualvoller Tod gewesen, sagte die Veterinärin Ursula Siebert – die Atemwege seien „zugeschleimt“.

Den schlimmsten Fall allerdings schloss sie aus: „Ein Staupevirus wurde nicht nachgewiesen.“ 2002 waren in Nord- und Ostsee fast 22.000 Tiere an der Seehundstaupe gestorben, 1988 waren es rund 18.000 gewesen, jeweils rund die Hälfte des Bestandes. Staupeviren sind verwandt mit Masern- und Rinderpestviren – und meist tödlich, weil es keine Möglichkeit gibt, vorbeugend zu impfen.

Die Population im Wattenmeer ist nach Einschätzung von Experten durch die aktuelle Krankheit nicht bedroht. „Nach jetzigem Kenntnisstand sind die Seehundbestände durch die Influenza nicht gefährdet“, urteilte Hans-Ulrich Rösner, Leiter des Wattenmeer-Zentrums des World Wide Fund for Nature (WWF) in Husum. Und Nationalparkleiter Detlef Hansen verwies auf Schicksalhaftes: „Dies ist kein Zoo, sondern ein Nationalpark. Hier gilt das Prinzip ‚Natur Natur sein lassen‘. Und auch der Tod ist Teil der Natur.“  SMV